im
Stehen
und
Gehen.
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nehmen, wie bei B. Aber wie soll er darauf kommen? Das Erste
wäre eine zwecklose Anstrengung, das Letztere die Unterlassung einer
zweckmässigen. Wer an erstere gewöhnt ist, wird die letztere noch
weniger scheuen. Die umgekehrte Combination aber ist überhaupt
garnicht möglich: wer sein Becken und Rückgrat so trägt, wie bei
B, kann gar nicht so ausschreiten wie A. Denn wenn das Becken
nicht vornüber hängt, kann der Oberschenkel garnieht so schräg nach
hinten von ihm gehalten werden, wie es der des nachstemmenden
Beines beim starken Aussehreiten muss. Die Einrichtung des Hüft-
gelenkes, in welchem Becken und Oberschenkel verbunden sind, leidet
keine solche Biegung zwischen ihnen nach hinten. Wenn der Ober-
schenkel so schräg von hinten nachschieben soll, muss das Becken
stark geneigt und folglich auch das Rückgrat über ihm stark zurück-
gebogen sein. Bei starkem Ausschreiten gehört also diese stramme
Haltung des Rumpfes nothwendig dazu, und wenn sie zu diesem Zwecke
angewendet wird, so hört sie auf eine zwecklose Vergeudung eines
Üeberschusses von Anstrengung zu sein.
Nun könnten wir ja freilich, wenn wir recht ökonomisch mit dem
Kraftvorrath unserer Muskeln wirthschaften wollten, für gewöhnlich
beim Stehen die bequemere, nachlässigere Haltung, wie bei B, bei-
behalten. Sobald wir aber ausrücken und stark ausschreiten wollten,
so thäten wir nun ein Uebriges auch mit der strammeren Haltung.
Wir wüssten nun, warum wir es thäten. Das geht dann aber doch
nicht so einfach. Die Wirbelsäule ist freilich nicht starr, sondern ein
biegsamer Stab; aber sie biegt sich doch nicht so leicht, bald so, bald
so, wie ein Arm oder ein Bein. Sie ist in den einen oder anderen
Grad von Biegung doch etwas fest gepresst und geht nicht ohne
Mühe gleich wieder in den entgegengesetzten über. Deshalb nun hat
ihre Haltung bei jedem Menschen doch den Charakter einer ziemlich
festen Eingewöhnung, und wie der Mensch sich im Stehen zu halten
pflegt, so bleibt es dabei in der Regel auch beim Gehen, und daher
also kommt es, dass dann factisch nicht nur während des Gehens,
sondern im Gehen und Stehen jeder Mensch sich entweder mehr so
halt und trägt wie A oder B auf Seite 12 und 13. Wer einmal die
stramme Haltung wie A angenommen hat, der behält sie beim Gehen
erst recht bei und benutzt die Freiheit, welche der Bewegung der
Oberschenkel nach vorn und hinten durch die Neigung des Beckens
I-Ienke. Vorträge. 2