mit
auf Schillers Wallenstein.
Anwendung
223
Ebenso ist nun auf der andern Seite das ruhig Bestehende, gegen
das der Held vergeblich anstürmt, und dessen tiefere Berechtigung
wir einsehen müssen, um sein Unglück nothwendig zu finden, so sehr
es uns um seinetwillen leid thut, nicht die politische Grösse, an der
er sich vergreift, sondern die sittliche Idee, gegen die er fehlt, nicht
der Bestand der österreichischen Monarchie, sondern die heilige Treue,
die den Diener an seinen Herrn bindet. Schillers politische Ueber-
Zeugung, die er deutlich erklärt hat, War die noch heute vielfach
vorkommende und vielfach bestrittene, dass eine friedliche Ordnung
in Europa erst nach der Auflösung der habsburgischen Herrschaft
in ihre natürlichen Elemente möglich sein werde. Hätte es sich also
um Geltendmachung historischer Principien gehandelt, so hätte er
Wallenstein's Plänen beistimmen müssen. Davon handelt es sich
aber hier gar nicht. Wallenstein selbst muss es in der letzten
Zweifelsqual vor dem Entschluss zum Verrath deutlich aussprechen,
dass jede Feindschaft der Parteien schweigt vor dem Abscheu gegen
den gemeinen Feind, der das Heiligthum der Treue verletzt, die einzige
Sicherheit, auf die jeder sich muss verlassen können. Darum erliegt
er dann auch nicht der überlegenen Macht, der inneren Kraft des
Staates, an dessen Bau er rütteln will, sondern der Unsicherheit des-
selben Glaubens an Treue, den er betrogen hat, derselben Verachtung
jedes sittlichen Bedenkens gegenüber der Rachsucht des gekränkten
persönlichen Selbstgefühls, von der er sich hat hinreissen lassen.
Seine siegreichen Feinde sind nicht der Kaiser und sein Rath, sondern
Oktavio und Buttler, der dies deutlich erklärt in dem Monolog,
welcher den herannahenden Untergang des Helden ankündigt:
in Acht dich treibt der böse Geist
dass dich Rache nicht verderbe."
"Nimm dich
"Der Rache
Dass diese Pointe es ist, die der Dichter aus der Geschichte, wie er
sie ansah, genommen hat, ergiebt sich aus einer Stelle seiner Ge-
schichte des dreissigjährigen Krieges: „Die rächende Nemesis wollte,
dass der Undankbare unter den Streichen des Undanks erliegen
sollte." Also die Nemesis seines Schicksals führt sich rein und
einfach darauf zurück, dass er den festen Boden sittlicher Bestimmt-
heit verlassen hat, in dem die ganze Grösse und Sicherheit des
eigenen heroischen Willens für ihn wurzelt. Damit hört seine Freiheit