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Anatomie der
Tragödi n
Politik viel gedacht. Wenn er aber daran dachte, hat er gewiss
nicht gemeint, das Arbeiten für beide sei so vereinbar, dass ein
Mensch sich für diese Mischung ernsthaft begeistern und hingehen
könne. Ebenso nimmt Wallenstein zu den kirchlichen Gegensätzen, in
deren Kampf er Initwirkend gestellt ist, eine ganz schwankende Stellung
ein. Er ist früher selbst erst katholisch geworden und Wirft sich nun
zum Vertheidiger der unterdrückten Protestanten auf. Ganz ihm gleich
in völliger Unklarheit und Gleichgültigkeit den Fragen der Zeit
gegenüber ist die Arlnee, an deren Spitze er steht und fällt. Es steht
und fällt also mit ihm kein Princip, kein grosses historisch-politisches
Streben.
grossc, allgemein menschliche Leidenschaft
persönlicher Herrschaft, die in ihm über-
sein Charakter von vornherein kein sehr
wir uns lebhaft erwärmen könnten. Aber
Es ist nur die eine
des Strebens nach grosser
sprudelt, also gerade wie
williähriger Stoff, für den
auch ihn hat uns Schiller in menschlich verständliche Nähe gerückt
durch den Gegensatz der schwachen, zusammengeküilstelten Hof- und
Günstlingswirthschaft, durch deren Verachtung sein Selbstgefühl über
alle Schranken wachst, durch den Rausch des Glücks, das ihn aus
der Menschen Reihen herausgehoben, und durch das schöne Ver-
hältniss zu den kriegerischen Schaaren, die ihm blindlings zu folgen
(iurch den Zauber seiner dämonisch waltenden Natur gezwungen sind.
Ist es auch keine gemeinsam patriotische Begeisterung, sondern nur
der gemeine „Esprit de eorps", was unter ihm seine Armee zu einem
grossen Ganzen verbindet, so verstehen wir doch, wie auch daran sich
tief sittliche Bande der persönlichen Neigung, des Vertrauens an-
knüpfen können, deren Abreissen edle, menschliche Herzen mit zer-
reissen
IIIIISS.
Wenn
sich
getra uen
kann,
ZU
Max
Zll
sagen :
"Auf mich bist du gepflanzt, ich bin
"Mir angehören, mir gehorchen, das
"Ist deine Ehre, dein Naturgesetz,"
dein
Kaiser.
wenn sich seine königliche Hoffnung (lzirin gipfelt, auf dein blühenden
Haupte seiner Tochter eine Krone zu sehen, und er nun an diesen
beiden gerade die grimmigste Täuschung erleben und sie mit sich
in's Verderben reissen muss, so vergessen wir ganz das Rohe in der
von höheren Ideen ganz entblössten Herrschbegierde und fühlen nur
den Schmerz dessen, dem ihre Befriedigung zerstört wird.