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der
Anatomie
Tragödie
wie in einer jeden andern Tragödie, einer einfachen Verkettunäg von
Schuld und Verhängniss verfällt. Dass aber zng'l(eirh mit ihm die
Sache für die er "ekäm ft hat, fällt ist Fol e der inneren Haltlosi
2 P v
keit, die von vorn herein ihren Sieg unmöglich gemacht hatte, und
jenes persönliche Schicksal erscheint nur als die Abspiegelung dieses
historischen.
Die politischen
von Begebenheiten,
steigen und sinken,
Ideen, die mit einer tragisch erregenden Folgw
sich in einer grossen Krisis zusannn(enfnssend,
können solche sein, die eine bedeutende Rolle im
Leben
länger
einer Zeit
zu dauern
und Nation zu spielen gehabt haben, aber nicht
im Stande sind. Die Vertretcer, die sich für ihre
Erhaltung opfern, haben alle Theilnahme für sich, welche die Pivtäif
für ein alt hergebrachtes Recht, die Heilighamltung" des bestehenden
fordert; aber sie müssen fallen, ohne Hoffnung aufzustehen, weil das
innerlich
kraftlos
Gewordene
I1 Ll1'
noch
mit
unnatürl i vh en
Mitteln
äusserlich
ferner
zusammengehalten
werden
kann.
S0
fällen
Shakespeares Julius Cäsar die letzten Römer im vergeblichen Be-
streben, die Freiheit eines Volkes, Welches derselben nicht mehr fähigz;
ist, mit Gewalt zu erhalten. Es schmerzt uns mit ihnen das Ver-
hängniss, das die Erhaltung eines so ruhmreichen Staatsgebäudes un-
möglich macht. Wir betrachten mit Abneigung die glücklichere
Thätiglaeit der Gegner, die auf den Trümmern der Republik die neue
monarchisclie Ordnung; gründet. Aber wir müssen ihre Berechtigung
anerkennen, da sie aus dem Bedürfnisse der gealterten Nation ent-
sprungen ist, Welche der Stütze des Despotismus bedarf, um noch
länger einen Staat ausmachen zu können.
Umgekehrt können aber auch solche Ideen zu verhängnissvollen
Conflikten antreiben, die nicht der Vergangenheit, sondern der Zu-
kunft angehören. Die Vertreter, die sich daran wagen, sie schneller,
als es in dem ruhigen Laufe der Entwicklung liegt, zu verwirklichen,
haben wenig Sinn für die altehrwürdigen Traditionen der Geschichte,
denen auch das Neue organisch entkeimen muss, aber die hoffnungs-
volle Begeisterung für ein neues Leben, das, auch wenn sie fallen,
über ihren Gräbern zur Blüthe kommen muss. S0 steht und fallt in
Schillefs Don Carlos Posa für
sich zuletzt sagen muss, dass
ein
sein
politisches Ideal, von dem er
Jahrhundert für dasselbe noch
nicht
reif
ist.