Stehen
und
Gehen.
scher Abkunft sind, unterscheiden sich in der That allgemein unter
Anderem dadurch" von uns andern, dass sie das Rückgrat weniger
zmirückgebdgen tragen. Aber auch andere Nationen, z. B. Franzosen
und Oesterreicher thun es durchschnittlich nicht so stark wie wir
moderne Deutsche im Reich, jung und alt, Männer und Weiber.
Wir dürfen uns freilich auf diese Verschiedenheit zunächst im Sinne
des guten Geschmackes nicht zu viel einbilden, da, man bisher Wenig-
stens gewohnt War, die Fixirung der idealen Menschengestalt in der
antiken Kunst als Vorbild anzuerkennen. Wenn wir uns aber eine
Venus von Melos und die meisten Statuen der klassischen Zeit genau
darauf ansehen, so müssen wir gestehen, dass die Haltung von Brust
und Becken bei ihnen mehr Aehnlichkeit mit der eines alten Juden
hat, als mit der eines Gardelieutenants, und auch in der Gegenwart
gefällt uns eine ähnliche Haltung mit schwacher Beckenneigung an
Frauen und Mädchen doch besser als die mit starker und mit hinten
tief hinein
geknickter
Taille.
Es fragt sich nun aber: hat dieser ganze Gegensatz nicht einen
in der Natur der Sache liegenden Grund? Wir bezeichnen ganz un-
willkürlich die Positur mit vorgestreckter Brust als die strammere,
angestrengtere, oder im Extrem die forcirterc, die andere als schlaffere,
bequemere, nachlässigere. Das ist ganz richtig; denn zu jener gehört
mehr Anstrengung, zu dieser Weniger. Die Wirbelsäule als biegsainer
Stab, der hinten am Rücken herauflauft und an dem die übrigen Theile
des Rumpfes mehr nach vorn angehängt sind, würde in Folge dieser
Belastung mehr nach vorn einknicken, wenn sie nicht durch Muskel-
anstrengung hintenüber aufrecht gehalten würde. Das Becken aber
hängt im Stehen auf den beiden Hüftgelenken, die seinem vorderen
Umfange näherliegen als dem hinteren, seiner Schwere und Belastung
nach rückwärts über und muss, wenn es nicht in Folge dessen nach hinten
niederfallen soll, durch Muskeln vornüber gehalten werden. Also
brauchen wir die wenigste Anstrengung, wenn wir das Rückgrat wenig
hintenüber biegen und zugleich das Becken wenig vornüber neigen.
Das Gegentheil erfordert Anstrengung. Man kann nun in Folge dessen
sagen, dass dies unnatürlich ist, weil der Zweck der aufrechten
Haltung auch ohne diese Anstrengung erreicht werden kann und das
Bequemere das Naturgemässere ist im Vergleich mit einer zwecklosen
Anstrengung. Man kann andererseits auch sein Wohlgefallen daran