Anwendung
mit
Wallenstein.
auf Schillers
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Handlung, wie er hier als allgemeine, aus der grossen Mehrzahl
klassischer Beispiele entnommene Regel hingestellt ist, erscheint nun
Schillers Wiallenstein auf den ersten Blick nicht als das geeignetste
Musterstüek, da er aus drei Theilen besteht, von denen nur der
letzte, "Wallensteins wie schon die Uebersehrift sagt, als voll-
ständig; regelmässiges 'l'ra.uerspiel in fünf Akten gelten soll und kann.
Man hat. sich iliel Mühe gegeben, auch in den einen
eigenen Plan von ihainaitiseher Verwiekelung zu erkennen oder alle
drei als eine grosse tragische Composition zusammenzufassen, in der
sich, nur Weiter ausgebreitet, ein ähnlicher V erlauf, wie sonst in ein-
fachen Stücken, sollte durchführen lassen. Umsonst. Nicht nur das
Lager ist, wie es im Prolog deutlich ausgesprochen ist, nur ein Vor-
spiel, sondern auch die Pieeolomini. Nur ein einziger grosser Con-
Hikt ist in der ganzen Dichtung: der übermüthige grosse Feldherr
kann und will dem Kaiser, seinem Herrn, nicht mehr gehorchen,
spinnt Verrath, untergräbt aber damit zugleich den sonst so festen
Grund, auf dem seine eigene Grösse ruht, wird von seiner Armee
Verlassen und fällt. Dieser Conflikt ist in den Vorspielen nur vor-
bereitet, nicht eingeleitet. Noch in der letzten Scene der Piccolomini
ist deutlich die lllöglichlaeit elusgesprochen, dass die ganze drohende
VOl'Wl(1kll1ng' sich noch in nichts auflösen kann, wenn auch die Stim-
mungen und Ciregcnsätze schon sehr guspiinnt sind.
Wie diese ganze grosse V0rbereitung' des eigentlich tragischen"
Slaiels aus den ersten Ansittzeil desselben herausgeivachseii ist, er-
kennt nian recht klar, wenn man die Reihe der Briefe Schillefs über
die Entstehung des Werkes V61'g'l(äl0llt. Der ursprünglich erste Akt
der Handlung" schwillt in Folge der weitläufigen historischen Ex-
position, deren er des Stoffes wegen bedarf, so an, dass-er sich zu
mehreren ausdehnt, und also die Schürzung des tragischen Knotens
sich innner tiefer in die späteren hineinscliiebt, bis dann endlich mit
der Aussonderung eines ersten Stückes Raum gewonnen wird. Nun
kommt der Anfang der Handlung, die entscheidende Besiegelung des
Verraths zunächst in das erste Stück, und die Einheit der ganzen
Handlung droht zerrissen zu wierdcn. Das Schwellen dauert aber
noch fort. Es tritt nun erst recht ein, was Schiller in dürren Worten
eingesteht, dass ihn hier ein epischer Geist angewandelt habe.
Alle dramatischen, zu Handlung und Collisionen drängenden
lluuke. Vurträge. 14