auf Schillers Wallenstein.
Anwendung
mit
205
machender. In der starren Anhaltung des Atheins, in der er auf der
Höhe eines Seufzers ganz stillsteht und kein Zeichen fortgehender
Erregung mehr und noch keins von Herabsinken giebt, fühlen wir
mit ihm die unentfliehbare Nähe des Schicksals, das ihn ereilt hat.
Der Pulsschlag seines Lebens setzt aus, aber die Kraft, die in ihm
gearbeitet hat und noch nicht abgespannt ist, halt seine Seele noch
unbeweglich aufrecht, wie Niobe zu Marmor wird, als sie ihre Kinder
von den Pfeilen des rächenden Gottes fallen sieht, den stieren Blick
Z lUIl
unerbittlichen
Himmel
erhoben.
Der
entscheidende
Moment
wird
deshalb
auch
nicht
durch
sonders bedeutende Worte der dramatischen Dichtung, sondern viel-
mehr durch eine tiefe Pause bezeichnet. Hebbel hat in einer weniger
bekannten Tragödie, in der Maria Magdalena versucht, bezeichnende
Worte an die Stelle zu setzen. Ob sie im Spiel die starre Pause er-
setzen können, ist fraglich; aber sie drücken die Stimmung richtig
aus. Die Ünglückliche, der plötzlich klar wird, wie glücklich sie
hätte sein können, und wie sie es selbst durch einen grossen Fehl-
tritt auf immer sich abgeschnitten hat, sagt: „mir ist, als wai" ich auf
einmal tausend Jahr alt geworden, und nun stünde die Zeit über mir
still. Ich kolnnf nicht zurück und auch nicht vorwärts." Wird es
uns nun in einem solchen erhabenen Ruhepunkte der Handlung voll-
kommen gegenwärtig, wie in ihm die ganze Wucht des unend-
lichen Schmerzes auf der Seele des Leidenden ruht, so dass sie sich
nicht mehr dagegen aufrichten kann, aber auch noch nicht unter ihr
niedersinkt, so erscheint uns die menschliche Natur im Helden und
in uns selbst mit ihm in ihrer vollen Grösse, Weil sie trägt, was ihr
ganzes Dasein vernichten zu müssen scheint. Dies ist der Kern der
Wirkung jeder grossen Tragödie im engeren Sinne. Er tritt in der
Mitte des ganzen Stückes ein, also bei der gewöhnlichen Eintheilung
des ganzen Verlaufes in fünf Akten im dritten. Ist kein solcher
Mittelpunkt der ganzen Entladung des Schicksals deutlich gegeben,
so hat die ganze Composition keine Einheit. Ist er aber deutlich
hervorgehoben, so fasst sich hier der Eindruck des Schicksals zu-
sammen, wie Schiller sagt:
"Welches den Menschen erhebt, Wenn es den Menschen zermalmt."
Zu diesem Mittelpunkt beziehen sich als Vorbereitung und Auf-
lösung der kritischen Spannung des Gefühls in ihm die beiden vorher-