auf Schillers Wallenstein.
mit Anwendung
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Uebergang zwischen zwei entgegengesetzten Stimmungen gezwungen
ist, einen Augenblick anzuhalten und sein ganzes Schicksal plötzlich
auf sich zu nehmen.
Wir wissen, wenn dieser Moment eintritt, dass die Zustände,
zwischen denen ein Uebergang stattfindet, nicht nur vorübergehend
einmal wechseln, sondern der eine zuvor das ganze geistige Leben
des Helden beherrscht hat, der andere ihn nachher für unabsehbare
Zeit beherrschen wird, und dass also eine nicht wieder rückgängig zu
machende Veränderung mit ihm vorgeht, die uns mit ihm tief er-
schüttert. Die entgegengesetztesten Stimmungen des ganzen inneren
Lebens sind ein freudig gehobenes Streben und ein schmerzlich nieder-
drüekendes Leiden. Beide sind im gewöhnlichen Leben beständig
abwechselnd im Menschen lebendig, und wenn sie sich nicht klar von
einander abheben, ermüdet sich in ihm die Fähigkeit zu beiden und
weicht einer allgemeinen Abspannung. Wenn dagegen das Eine das
Andere deutlich ausschliesst, ist der innere Zustand ein in sich klar
und rein ausgesprochener. Der plötzliche Üebergang zwischen beiden
bringt aber einen innern Umschlag der ganzen geistigen Thatigkeit
hervor, indem sich ihre ganze Kraft mit Erhabenheit offenbart. Die
Kunst zeigt uns die Helden nach einander in beiden scharf entgegen-
gesetzten inneren Zuständen, in Streben und Leiden, als rein ver-
ständlichen Stimmungen; dazwischen aber auf dem Uebergange
zwischen beiden angehalten und in kritische Spannung versetzt.
Der Uebergang kann ein doppelter sein: ein leidender Zustand
kann durch eine glückliche Krisis, in der sich die Kraft des Willens
aufraift, in ein muthiges Streben übergeführt werden, oder ein solches
kann zuerst vorhanden gewesen sein und durch eine unglückliche
Krisis gelähmt werden, worauf ein leidender Zustand an die Stelle
tritt. Beides kommt in Tragödien vor, wenn wir den Begriff dieser
Kunstform in dem alten, weiteren Sinne nehmen; denn dann gehören
dazu auch die Schauspiele, die einen glücklichen Ausgang haben.
Doch werden sie immer eine weniger typische Nebenform der
Tragödie bleiben. Dies hat einen äusseren und einen inneren Grund. Der
aussere liegt darin, dass das Hervorbrechen eines frischen, wirksamen
Strebens aus lange bestandener Muthlosigkeit als ein rein innerlicher
Vorgang nicht leicht äusserlich vergegenwärtigt werden kann. Haben
wir uns bis zu dem entscheidenden Momente an die Stelle des Helden