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Tragödie
der
Anatomie
stellen wollen. Wir müssen ihm fast eben so vollkommene Berechtigung
seines Handelns zuerkennen, wie seinem Sohne; aber dennoch gewinnt
er nicht den "warmen Antheil von uns, wie jener und der Held, den
sie beide stürzen helfen. Denn er thut seine Schuldigkeit mit Ruhe.
Wie sollten wir uns darüber beunruhigen? Und wenn wir dann das
rührende Zutrauen sehen, mit dem sich Wallenstein, wenn auch in
noch so schlechter Sache, auf ihn verlässt und eben dadurch von ihm
übervortheilt wird, muss er auch uns ein Gegenstand der Abneigung
sein, wenn wir ihm auch nichts vorzuwerfen haben.
Alle andern Nebenpersonen ordnen sich diesen Hauptrepräsentanten
leicht neben. Am meisten ohne eine nach der einen oder anderen Seite
hin neigende Eigenschaff steht als theilnelnnender Zuschauer am Ende
des Stückes der bescheidene Jugendfreund des gewaltigen Helden.
Gordon ist das volle Gegentheil jeder Art von Heroismus. Er drückt,
wie der Chor im griechischen Drama, den Sinn des Zuschauers aus,
wenn er zu dem ganz willenstarken und gefühllosen Buttler sagt:
„O Gott! was sein muss, seh" ich klar wie Ihr,
„D0ch anders schlägt das Herz in meiner Brustf
Wenn die Hauptperson der Tragödie es ist, für die unsere Theil-
nahme durch das Spiel erregt werden soll, so wird diese Wirkung
selbst hervorgebracht durch den Verlauf der (largestellten Begeben-
heit, in welche die Personen verwickelt sind. Er ist es, was uns un-
mittelbar in Erregung setzt. Aber die Lebendigkeit dieser WVirkung
hängt nicht ab von der Grösse eines erschütternden Ereignisses an
sich, sondern von der wohlgeordneten Folge der erschütternden
Momente, von denen einer den andern nothwendig hervorruft und
hervorhebt. Deshalb hat schon Aristoteles die Anordnung der Ge-
schichte (oder die „Fabel") in der Tragödie als die eigentliche Haupt-
sache bezeichnet, und Schiller rühmt, dass er damit recht den" Nagel
auf den Kopf getroffen. Wie der Hauptheld vor den Übrigen unser
Auge auf sich ziehend hervorragt, so vor den erschütternden Lagen,
in die er versetzt wird, ein grosser Hauptinoinent, in dem der grösste
Eindruck auf ihn wirkt und sein Schicksal entscheidend bezeichnet.
Ein solcher Eindruck ist gegeben, wenn ein Wendepunkt in
Lage eintritt, oder ihm selbst zuerst klar wird, durch den
seiner
er im