mit
Anwendung
auf Schillers
Wallenstein.
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Organisation, wie er sich bei allen Individuen einer bestimmten Art
von Organismen wiederfmdet. Dabei liegt natürlich die Zergliederung
einzelner Individuen'zu Grunde, und man geht auch in der Regel von
dieser bei der Darstellung des Typus aus, indem man an der Ver-
bindung der Theile in einem Körper die Gesetze derselben für alle
derselben Art zu erkennen sucht. Man kommt so am bequemsten
gleich zu einer lebendigen Anschauung. Man erhält diese aber nicht
frei von den allerlei kleinen Eigenthümlichkeiten des besonderen zur
Zergliederung benutzten Individuums, und man erhält überhaupt ein
mit der Fülle von Einzelheiten der Form aller Theile überladenes Bild,
aus dem schwer ein einfach fasslicher Typus heraustritt. Sicherer
gelangt man zu diesem, wenn man ein aus vielen Individuen gleicher
Art abstrahirtes Bild als allgemeines Schema voranstellt, und dies
dann nur durch Zergliederung eines einzelnen nachträglich zu be-
stätigen sucht. Dies wird um so mehr bei solchen Bildungen an-
wendbai- sein, wo der kleinen Abweichungen von einer jeden allge-
meinen Regel, der individuellen Züge in jedem einzelnen Falle so
viele sind, wie bei Werken des menschlichen Geistes, der nie mit der
Festigkeit von Naturgesetzen seine Typen wiederholt und sie dennoch
im Allgemeinen immer wieder erkennen lässt. Desshalb suchen wir
von jedem Haupttheil der Tragödie zuerst eine aus allen klassischen
Beispielen hergeleitete Grundvorstellung zu gewinnen und sie dann
besonders an einem vorzüglich gesetzmässig gebauten Stücke durch
Zergliederung nachzuweisen. Hierzu soll als hervorragendes Muster-
werk der deutschen Tragödie Schillers Wallenstein gewählt sein.
Das Erste, was zu einem Stücke gehört, sind die Personen, die
darin auftreten. Wenn aber die Tragödie darauf abzielt, Mitleid zu
erregen, so ist zuerst eine Person nöthig, der das begegnet, was unser
Mitleid fordert, und dieses ist die Hauptperson des Stückes. Zur
Herbeiführung und Vergegenwärtigung dessen, was ihr begegnet,
dienen die Nebenpersonen.
Die Charaktere der Hauptpersonen in der Tragödie zeigen im
Ganzen viel Uebereinstimmendes. Ein Mensch kann überhaupt auf
zweierlei Art durch Bild oder Wort dargestellt werden, verschärft
oder verallgemeinert, d. h. die eigenthümliehen Züge, wodurch er sich