Kunst
der
Mimik.
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Handlung weiterführt, als deren bleibender Träger er doch von Kopf
bis zu Fass, von Anfang bis zum Ende vor uns steht, wird eben das
erreicht, was eben nurso zu erreichen ist.
Wir können nicht behaupten, dass wir Lessing, dessen Spur und
Methode wir in diesen Dingen so gern folgen, auch in diesem letzten
Schlusse auf unserer Seite haben würden. WVas er über diese Dinge
gedacht hat, ist nach dem, was uns davon vorliegt, Fragment ge-
blieben und, wir müssen wohl glauben, auch in der That bei ihm
selbst nie ganz zum Absehlusse gekommen. Es Ware also Sophisterei,
es trotzdem hier oder da aus einem hingeworfenen Worte herauslesen
zu Wollen. Immerhin aber wird es uns eine gewisse Befriedigung ge-
währen, das Eine oder Andere derselben als eine Art Votum von ihm
in unserem Sinne heranziehen zu können. Es ist wohl nicht nur Zu-
fall, dass das Einzige, was er einmal von rein körperlicher Mimik in
seiner Dramaturgie als glänzende Leistung der Kunst begeistert hervor-
hebt, ein Zug der Darstellung ist, welcher als klassisches Beispiel des
Spieles mit isolirten Geberden angeführt werden könnte. Es ist das
letzte leise Zucken in den Fingern des schon ganz erstarrten Armes,
mit dem Madame Henseln das letzte Aufllackern des Lebenslichtes
einer Sterbenden markirte. Aber auch einen allgemeinen Satz
können wir von ihm für diesen Stil, oder gegen den anderen an-
führen: "die meisten Schauspieler machen zu viel Bewegungen und
zu unbedeutende."
Zum Schluss noch eine Frage, die man, wenn Jemand vom Stand-
punkte des Naturforschers aus über diese Dinge redet, vielleicht er-
wartet haben würde, an die Spitze gestellt zu sehen: welche Art sich
zu haben und zu geben ist denn die richtige, die im Leben wirklich
stattfindende? Denn diese allein sollten doch auch die darstellenden
Künstler nachahmen, um der Wahrheit zu entsprechen. Aber sie
würden nicht weit kommen, wenn sie die Wahrheit da suchen wollten,
ebenso wie der dramatische Dichter, wenn er nur hinschreiben wollte,
was wir täglich mit einander reden. Jeder Mensch benimmt sich
anders, und die niedrige Komik, die jeden Menschen naturgetreu dar-
stellt, muss auch jeden nachahmen können. Was aber in einem
höheren Sinne Wahr ist, das ist auf dem Gebiete des Gefühls, so
wenig wie- auf dem der Erkenntniss, Gemeingut der grossen Menge.
Die Kunst kann es von ihr so wenig lernen, wie die Wissenschaft.