in der
der Mimik.
Kunst
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Raum in jedem Augenblick mit schönen Bildern. Sie muss aber auch
dafür auf die Betheiligung an einem continuirlichen Fortschreiten in
der Zeit, wie es der Poesie zukommt, verzichten. Wir könnten sie
deshalb die plastische oder malerische Mimik nennen. Die andere
dagegen, die zwar auch ihre stillstehenden Vorbilder in der modernen
Malerei hat, schliesst sich doch, indem sie den Stil derselben in der
lebendigen Action noch eigenartiger fortbildet, mehr und mehr dem
bewegteren Gange der Poesie an. Sie verzichtet auf die Einheit der
Eindrücke für das Auge, in denen alle Theile des Körpers malerisch
zusammenwirken; aber sie nimmt auch in Folge dessen an der Frei-
heit der Bewegung und Entwickelung von Moment zu Moment Theil,
welche der fortschreitenden Rede des Dichters eigen ist. Wir könnten
sie die dichterische oder rednerische Mimik nennen.
Wenn
sich
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die
eine
und
die
andere
Art
dieses
sichtbaren
Theiles der Darstellung im Schauspiel imit der zweiten Hälfte des-
selben, dem Worte des Dichters, zu einer einheitlichen Wirkung ver-
binden, wenn sie, Wie Shakespeare verlangt, Eins dem Andern an-
gepasst sein sollen, so muss die Rede der malerischen Mimik mehr
Concessionen machen, sich immer stufenweise um einzelne plastische
Bilder und Ruhepunkte der Handlung herumbewegen und bei den-
selben betrachtend verweilen. Die Mimik des rednerisehen Ausdrucks
hat sich mehr dem Flusse der Redeangeschlossen. Hier wird das
zur Wahrheit, was ich kürzlich in einem Artikel dieser Blätter über
die Meiningerf) von R. Genee als Grundsatz ausgesprochen fand, dass
das dichterische Wort der gebieterische Factor bleiben müsse, dem
sich alles Andere unterzuordnen habe. Wenn aber, so oder so, die
Mimik und das Wort zusammenstimmen, so können wir vielleicht auf
Grund davon überhaupt zwei Stilarten der Schauspielkunst unter-
scheiden, von denen sich, da sie zwischen Malerei und Poesie in der
Mitte steht, die eine mehr dem Princip der plastischen, die andere
mehr dem der poetischen Darstellung anschliesst. Zu der ersteren
werden wir wohl das antike Drama rechnen können, in der Gegen-
wart jedenfalls die Oper, erst recht auch die „der Zukunft", mit ihrer
Ton- und Farbenmalerei von Himmel und Hölle, und vielleicht auch
das Theater der Zukunft nach dem Muster des Herzogs von Meiningen
L
Deutsche Rundschau.
III,
Band
458.