Kunst der Mimik.
in der
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Es giebt eine Kunstform, die im Ganzen so gebaut, in welcher
die Stellung von Tableaux mit dem Verlaufe der Handlung so in Ein-
klang gebracht ist, dass der Zuschauer und Zuhörer sie beide zugleich
geniessen kann, ohne etwas zu verlieren. Das ist die Oper. Die
Handlung selbst und ihre Abwickelung in Worten ist in gewissen
Ruhepunkten durch die Musik zu einer Ausbreitung in der Zeit ge-
bracht, welche gleichzeitig eine sehr ruhige Anschauung zulässt, und
diese schliesst sich an den Genuss des Tonfalles stilhaft an, wenn sie
ähnlich wie im Tanze einen harmonischen Einklang der Bewegung aller
Glieder darstellt. Hier wird also diese Art der Mimik stets als natur-
gemäss herrschende am Platze bleiben und nur im Dialog oder Reci-
tativ eine andere möglich sein. Dem auf- und abwogenden Rhythmus
der Töne kann eine entsprechende Wiederholung gewisser malerischer
Stellungsmotive parallel laufen. Und einigermassen ähnlich können
wir uns vielleicht auch das Verhältniss der Mimik zur Rede im an-
tiken Drama vorstellen, wenn wir sehen, wie hier die letztere in
kurze Dialoge, lange Reden und Chorgesänge gegliedert ist. Man
kann sich denken, dass bei den zugespitzten Wechselreden, mit denen
die Fabel sich lebhaft fortentwickelt, die Rede allein das Interesse
fesselte, bei den längeren Expectorationen aber, die dazwischen aus-
holend einsetzen, auch das Bild der Spieler sich mit Breite malerisch
entwickeln konnte; und die Gesänge des Chores vollends waren ja
ein contemplatives Verweilen in der Betrachtung bei völlig stillstehen-
der Handlung, neben dem auch das Auftreten desselben sich ganz als
lebendes Bild gestalten konnte. Selbst Dawison spielte in diesem
Stil den Oedipus in Kolonos f). Damit stimmt aber die ganze ein-
fache Anlage der Composition mit den drei Einheiten des Aristoteles,
des Ortes, der Zeit und der Handlung. Alles dies scheint fast wie
auf den möglichst nahen Anschluss an die Plastik, die im Alterthum
dominirende Kunst, mit der Einheit des Ortes und des Moments be-
rechnet, so dass auch das Drama mehr nur zu einer Erweiterung
der Handlung in einer Reihe von Bildern wird, sich nur schritt-
weise seiner grösseren Freiheit mit der fortlaufenden Darstellung
der Handlung bemächtigt.
Umgekehrt dagegen fügt sich nun offenbar der Stil der Mimik,
T
diese Vorstellung,
Vortrag über
meinen
1865.
F. Winter
Leipzig,