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Arten
Zwei
V01]
Stil
Also haben wir hier offenbar ein Paar extreme Beispiele von
diesem Stil vor uns gehabt, in denen er etwas Bestimmtes zur Dar-
stellung bringt, das eine Mal mit einer sehr richtigen, das andere
Mal mit einer sehr verfehlten Wirkung. Die breitere Anwendung
desselben aber, auch bei Rossi, und noch vielmehr bei den unzähligen
unbedeutenderen Mimen, welche derselben Richtung folgen, beruht
darauf, dass, wenn man alle seine Gliedmassen so oft und viel im
Spiel zur Anwendung bringen will, überhaupt nicht immer etwas da
sein kann, was dadurch ausgedrückt werden soll. Es werden dann
eben Bewegungen und Stellungen nur um ihrer selbst willen gemacht,
die sich ganz schön ansehen können, aber sonst weiter keinen Zweck
haben. Die Folge ist, dass sich auch die Glieder dazu nicht unnöthig
anstrengen. Sie haben kein bestimmtes Ziel zu erreichen, sondern
sich nur gegenseitig in ein gefalliges Gleichgewicht zu setzen. Das giebt
ihnen dann hübsch massvolle Biegungen, der ganzen Gestalt einen ge-
fälligen Umriss, dem ganzen Auftreten eine anständige Haltung; aber es
kann nicht ausbleiben, dass es auch ziemlich monoton und nichtssagend wird.
Mit dieser Eigenthümlichkeit in der Art der Bewegung pflegt eine
zweite regelmässig Hand in Hand zu gehen, die sich auf den zeit-
liehen Verlauf derselben bezieht. Gleichmässig wie sich die Be-
wegung im Raume auf die verschiedenen Glieder des Körpers ver-
theilt, ist sie auch in der Zeit ausgebreitet, so dass der Verlauf der
Biegungen und Verschiebungen, welche sie den Contouren des Körpers
giebt, mit einer gewissen malerischen Breite sich so vor dem Auge
vollzieht, so dass es ihren Wandlungen folgen kann. Dies geschieht
freilich bald in einem schnelleren, bald in einem langsameren Tempo,
je nach der Heftigkeit oder Gemessenheit der augenblicklichen Action,
aber immer mit einer gewissen Beständigkeit, so dass die Zeit der
Handlung von dem Verlaufe der Bewegungen, welche sie begleiten,
ausgefüllt wird. Rossi im letzten Acte des Hamlet, als es zum Sterben
ging, sprang noch so unermüdlich auf dem durch den Tod des schand-
lichen Oheims schon erledigten Throne herum, indem er mit Händen
und Füssen, bald rechts, bald links ausholend oder vordringend aus
einer in die andere kühne Fechterstellung überging, als galte es mit
einem letzten Aufwande von Gewandtheit und Energie vor dem Tode
noch zu zeigen, was er im Leben hätte leisten können, und so ging
der schwerrnüthige Prinz am Schlusse der Tragödie ab, wie ein Kunst-