Kunst der Mimik.
der
173
durch alle Stadien der Aufregung des Zweifels, des Schwankexis
zwischen Vertrauen und Verdacht bis zum Wüthendsten Ausbruch der
verzehrenden Eifersucht und der Verzweiflung nach demselben, immer
der ganze Mann von Kopf bis zu Fuss mit, bald elastisch sich er-
hebend, die Geliebte ergreifend, dem Versucher sein Ohr leihend,
oder ihn von sich stossend und endlich im Kampfe der Rache und
Verzweiflung wie ein Thier zuspringend oder sich windend. Das gab
also eine fortlaufende Reihe lebendiger malerischer Bilder, in denen
sich die Erregung und das Schicksal des Helden stufenweise fort-
schreitend darstellt. Aber ganz ebenso mit allen Gliedern, mit jeder
Faser bei jeder Action zusammenarbeitend, trat er auch bei jeder
anderen Gelegenheit und Rolle auf, bei jeder Geberde, die nur irgend
eine Stelle in einer Rede ausdrücklich begleitete. So in der Scene
des Hamlet, wo dieser seine Mutter bei Nacht ohne Scheu und Rück-
sicht mit den grimmigsten Vorwürfen über ihre Untreue an seinem
hingemordeten Vater bestürmt. Als er da bei der Stelle ankam, in
welcher er diesen ihren ersten Mann preisend mit Zeus und Mercurius
vergleicht, nahm er das Bild desselben, das er als Medaillen aus dem
Busen zog, und hielt es hoch empor. Wie er nun aber dabei mit
der anderen Hand auf die Lehne des Stuhls der Mutter gestützt
hinter ihr stand, liess er nicht nur den Blick mit erhobenem Kopfe
dem Bilde nach oben folgen, sondern trat auch zugleich mit dem
einen Fusse so hintenaus, dass nun die ganze Gestalt selbst einen
Augenblick wie ein eben emporschwvebender Mercur dastand. Es war
ein durchcomponirtes Bild von Kopf zu Fuss nach einer Hauptlinie
des Emporstrebens geordnet. So war er in diesem Momente von
Kopf bis zu Fuss eine Statue, eine Illustration dieses einen Gedankens
seiner Rede, der Vergleichung seines Vaters mit den Göttern. Nichts
aber machte nun unterdessen seine fortdauernde Stellung im Zu-
sammenhange der ganzen Scene ersichtlich, sein Verhältniss zu der
Mutter, mit der er eben in einem so furchtbaren, alle Bande der
Natur sprengenden Conflicte begriffen sein sollte, und dieses wäre
doch die Hauptsache gewesen, die den Menschen so gefesselt haben
sollte, dass jede einzelne Redewendung hinströmen musste, ohne etwas
daran zu ändern. Der Darsteller hatte sich für die eine Redewendung
gleichsam ganz ausgegeben und hatte, so lange er dies that, für die
ganze Situation nichts übrig.