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V01]
Arten
Zwei
Stil
seiner "Aventiure". Selbst Goethe war nicht im Stande, das Bild
eines Gletschers, eines Wasserfalles, oder eines stillen Abends auf
einer ruhigen Wasserfläche so mit
in der Phantasie hervorzurufen.
wenigen
Worten
wie
gegenwärtig
Wenn wir nun diese Vorzüge und diese Schranken der Wirkung,
die Maler und Dichter, jeder mit den ihm zu Gebote stehenden
Mitteln, auf uns machen, so streng und überzeugend einander gegen-
übergestellt sehen, so knüpft sich sogleich die Frage an, was nun aber
dann erreicht werden kann, wenn die Kunst der Bretter, die die Welt
bedeuten, über die verschiedenen Mittel, mit denen jene einzeln auf
uns wirken, zugleich verfügt, wenn der Schauspieler von Kopf zu
Fuss, hoch und breit, wie in einem Bilde, vor uns steht und das
Wort des Dichters beständig aus seinem Munde fliesst, dazu aber auch
sein Körper nicht wie der einer Bildsäule unbeweglich vor uns stehen
zu bleiben braucht. Ist da nun Alles auf einmal nicht nur von Seiten
der Darstellung möglich, sondern auch für die Empfindung geniessbar,
was bei der Malerei oder Poesie allein unvereinbar bleiben musste,
oder bleibt vielleicht wenigstens jeder Theil der Darstellung, der für
das Auge und der für das Ohr, an die Gesetze gebunden, die für die
Malerei und Poesie einzeln gelten, so dass sie, unabhängig neben
einander hinlaufend, einander nur in einer Art von Totalel-fect er-
gänzen? Denn dass sie dies thun, müssen wir auf alle Fälle fordern,
wenn überhaupt eine einheitliche Kunstwirkung und nicht nur ein
Gemisch malerischer und poetischer Eindrücke herauskommen soll.
"Passt die Geberde dem Wort, das Wort der Geberde an", ist die
grosse Lehre, die Shakespeare durch den Mund Hamlets den Schau-
spielern geben lässt. Wie aber soll dies geschehen? Wie soll der
Stil und die Kunstregel des Einen der des Andern sich anpassen?
Soll das Eine oder das Andere den Ton angeben?
Wir brechen diese Fragen hier zunächst ab, um nur dem näher
zu kommen, was wir zum Gegenstande unserer Betrachtung gemacht
haben, dem sichtbaren Theil des Spiels oder der Mimik. Wenn es
für diese allein Vorbilder auf einem jener begrenzten Kunstgebiete
geben soll, so können sie nur auf dem der Malerei gesucht werden,
und es wird nicht vergeblich sein, sie hier zuerst aufzusuchen, weil
die Stellungen der menschlichen Körper in Bildern nicht nur unserem
Genusse, sondern auch unserer Zergliederung ruhiger Stand halten