Kunst der Mimik.
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denn
auch
kaum
eine
Theorie
dieser
Kunst.
Man
sollte
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denken, es müsste eine solche geben, wenn man hört, wie täglich
Hunderte in jeder Stadt, die ein Theater hat, über die Leistungen der
Schauspieler in jedem einzelnen Falle mit einer Sicherheit urtheilen,
als wenn sie ein Gesetzbuch über das, was in dieser Kunst recht oder
falsch ist, auswendig wüssten, dessen Bestimmungen nur einfach an-
gewendet zu werden brauchten. Aber es ist nur eine unbestimmte
Gewöhnung des Geschmacks, der sie dabei folgen. Und selbst die,
welche sich berufsmässig mit der Beurtheilung des Schauspiels be-
schäftigen, die Theaterrecensenten, haben sich nur eine bereitere
Fertigkeit dieser Art von Geschmacksurtheil angeeignet, nicht eine be-
sondere Wissenschaft von der Sache. Ihre Schätzung ist deshalb auch
meist nur eine relative, ihr Massstab kein absoluter. Ob in einem
Theater der eine oder der andere Schauspieler gestern besser gespielt
hat, ist täglich in der Zeitung zu lesen, 0b aber das ganze Theater
etwas taugt, nie.
Einer der grössten Geister deutscher Nation war Theaterrecensent,
zwar nur kurze Zeit, aber mit desto grösserem Ernst. Denn eins der
berühmtesten Werke Lessings, die "Hamburgische Dramaturgie", ist
nur eine Reihe von Theaterkritiken und enthält bekanntlich die tiefsten
üb er
Auf-
über die Kunst der dramatischen Dichtung, aber wenig
Mimik. Von ihm vor allen hätte man auch für sie die
Studien
die der
stellung fester Grundsätze erwarten können. War er doch schon
längst vorher mit seinem "Laokoon" als Gesetzgeber für die Ab-
grenzung der Gebiete von Malerei und Poesie, bildender und reden-
der, sichtbarer und hörbarer Kunst aufgetreten. Die Kunst des Schau-
spielers aber steht zwischen diesen, da sie zugleich sichtbar uud hör-
bar ist, zugleich malend und redend wirkt. Wer also gefunden hat,
was die eine oder andere für sich, wo sie getrennt sind, leisten kann,
hatte uns auch sagen sollen, wie sie sich zu einander stellen, wenn
sie vereinigt auftreten. Lessing selbst deutet schon im Laokoon diese
Consequenz an, indem er sagt, das Drama sei eine Art der Poesie,
aber "für die lebendige Malerei des Schauspielers bestimmt", und
hieraus folgert, dass die Frage sein könne, inwieweit also hier die
Gesetze des einen oder anderen von beiden grossen Kunstgebieten un-
eingeschränkte Geltung haben. Er hat auch in der Dramaturgie
Anfangs an diesem Punkte wieder angeknüpft, u1n von hier aus
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