zu Rom.
Kapelle
sixtinischon
der
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Errettungen des auserlesenen
von ältern Malern die Thaten
wunderbaren
WVävnden ab er
Volkes Gottes, an den
des Erlösers und seines
Vorläufers Moses im alten und neuen Bund, endlich auch seiner Nach-
folger, der Apostel, wenn wir RaphaePs Tapeten mit hinzurechnen,
die ja bestimmt waren, hier bei den hohen Festen auch mit aufge-
hängt zu werden. Dazu kommt nun aber oben ringsum an der
Grenze von Wänden und Decke eben diese grandiose Darstellung der
Menschheit durch Michelangelo, der Menschheit als solcher, der zu
Liebe doch das Alles geschehen sein und immer noch geschehen soll.
Inrdiesem Sinn und Zusammenhange hätten sie aber nicht grossartiger
und passender dargestellt sein können als eben so, wie es hier ge-
schehen ist, in der ungeheuren Mannigfaltigkeit ihrer ihr von Gott
verliehenen Gaben und Fähigkeiten zu allem Guten, die sie trotzdem
nicht in den Stand setzen, aus eigener Kraft zum wahren Heile und zu
voller Befriedigung zu gelangen. Und die Idee, den Menschen, wie
er ist und sein muss, wenn das, was Gott will, sich an ihm erfüllen
soll, so unverblümt hier in den Kreis der heiligsten kirchlichen Hand-
lungen und Vorstellungen mit hinein zu nehmen, ist gewiss ganz im
Sinne jener frischen, natürlichen Gedankenwelt der Renaissance, die es
vermocht hat, dass ihre Religion und Philosophie, Poesie und Kunst eine
so frische, fröhliche Verbindung mit einander eingehen konnten, wie sie
sich in den realistischen Werken ihrer kirchlichen Kunst offenbart.
Ich kann nicht sagen und bezweifle es fast, 0b irgend Jemand
dem Künstler das Programm oder Recept dictirt hat, wonach er dies
Thema an dieser Stelle und in diesem Sinn hat behandeln sollen.
Aber das weiss ich: wenn wir diese Idee in seinem Werke verkörpert
sehen, so haben wir sie nicht hineingetragen, sondern aus dem un-
mittelbaren Eindruck desselben gewonnen. Michelangelo selbst wäre
gewiss damit einverstanden, wenn wir uns so an das halten, was er
uns zu sehen giebt, und es auf uns wirken lassen, statt von vorn
herein irgend einen leitenden Gedanken darin zu suchen, und auch
sein hoher Gönner, der alte Haudegen Papst Julius II., der ihm das
Werk aufgetragen hat und nicht erwarten konnte, bis es fertig vor ihm
stand, würde wohl nichts dagegen gehabt haben. Jedenfalls werden wir
so am meisten der Lust und Freude an dem lebensvollen Bilde theil-
haftigr
die
der Künstler
ohne Zweifel
bei
der Arbeit
daran gehabt
hat.
H enk e , Vorträge