Volltext: Vorträge über Plastik, Mimik und Drama

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Michelangelo an 
der Decke 
Seite 
gelassen ; 
V O I1 
all 
dem, 
was 
uns das 
Leben 
theuer macht, 
kommt 
in seinen Werken wenig vor". 
Fassen wir zum Schluss Alles zusammen, was in diesen Bildern 
an uns vorübergegangen ist, und fragen wir, wie es als Ganzes wirken 
muss und wie es in den grösseren Zusammenhang passt, in den es 
eingefügt und in dem es zum Ganzen zu wirken bestimmt ist. Die 
vielen einzelnen Menschen an den Zwickeln des Gewölbes stellen, wie 
wir gesehen haben, den Menschen auf den verschiedensten Stufen 
geistiger Cultur, also auch mit den verschiedensten Befähigungen zur 
Theilnahme am kirchlichen und überhaupt am religiösen Leben dar, 
vom gedankenlosesten Dabeisein, bis zur selbständigsten Erfassung des 
tiefen Sinnes, und dies entspricht ganz der Art, wie in der katholi- 
schen Kirche Jeder an seiner Stelle und nach seiner Fähigkeit an 
denselben Mysterien des Cultus Theil nehmen kann und soll. Die 
Gruppenbilder des Familienlebens in den Fensternischen stellen die 
Menschheit oder die Gemeine mehr in ihrem beständigen, natürlichen 
Zusammenleben dar. In diesem ihrem gewöhnlichen Verbande und 
alltäglichen Leben können wir sie uns zwar nicht direct wie in der 
Kirche und beim Cultus zugegen denken; aber sie bilden doch den 
breiten Hintergrund des Volkes, oder des gesammten Menschenlebens. 
Und so repräsentirt das Ganze die Menschheit überhaupt, wie sie mit 
ihren mancherlei Gaben und in ihrem ganzen Verbande zu dem Heil, 
das von oben kommt, bereit und berufen ist, aus sich allein aber 
nicht zur vollen Befriedigung gelangen kann. Der Mensch und die 
Menschheit sind nach kirchlicher Lehre das Object der Heilsanstalten, 
das Subject der Bedürftigkeit nach dem Heil von oben, das die 
Kirche von Gott berufen ist, ihnen zu vermitteln, und als solche stellen 
sie sich also ganz passend da dar, wo die Kirche sich selbst als Organ 
dieses Heils der Welt darstellt. 
Die katholische Kirche feiert hier die Grösse ihres Berufes, des 
Segens, der von ihr auf die Welt ausgehen soll. Sie thut es in 
lebendiger Cultushandlung durch ihren höchsten Clerus, und dies ist 
die Bestimmung der Sixtinischen Kapelle. Der Schmuck ihrer Wände 
aber soll dazu dienen, diesen Eindruck zu verstärken. Demgemäss 
stellen die Bilder an Decken und Wänden die grossen Thaten Gottes 
zum Heile der Menschen dar, hoch oben an der Decke von Michel- 
angelo die Schöpfungsgeschichte und einige Hauptgeschichten von
	        
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