der
sixtinischen Kapelle
Rom.
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in der Ausführung sind sie freilich viel nachlässiger behandelt. Es
wäre auch Schade gewesen, mehr Mühe daran zu wenden, da man sie
dicht über dem blendenden Lichte der Fenster ganz besonders schlecht
sieht. Im Vergleiche mit den plastisch gewaltigen Gestalten oberhalb
am Gewölbe erscheinen sie wie ein Nebenproduct in demselben Stil,
wie eine Verwerthung von Skizzen aus dem Leben neben dem durch-
dachten und ausstudierten Werke; aber sie zeigen doch nicht minder
die eigenartige Kraft und geniale Conception des Meisters.
Ein eingehendes Studium dieser Genrebilder aus dem Familien-
leben in allen seinen Abstufungen wäre sehr lohnend; statt dessen
mag uns eine kurze Aufzählung von Einigem, was in ihnen dargestellt
ist, einen Begriff geben. Da haben wir zuerst an einem Ende beider
Langseiten der Kapelle, einander gegenüber, zwei junge, noch kinder-
lose Paare. Die Frauen sind mit ihrem Putz beschäftigt; die eine
kämmt sich, die andere besieht sich im Spiegel (Seite 158). Der eine
Mann legt ganz eigentlich die Hände in den Schooss, der iUIdGFB
streckt sich lang auf einem Rekelstuhl aus und thut so, als 0b er in
einem Buche, das vor ihm auf einem Pulte aufgeschlagen ist, lese
(Seite 158). Alle übrigen Paare von Männern und Frauen haben als
Eltern oder Grosseltern mehr oder weniger Kinder um sich her.
Einer jungen Frau sieht man auch an, dass sie bald noch eins
kriegen soll. Sie haben auch sonst allerlei zu thun, oder ruhen er-
müdet davon aus. Eine alte Frau wickelt Garn. Ein junger Mann
schreibt auf ein Blatt Papier, das er vor sich auf das Knie gelegt
hat (Seite 159); aber es wird ihm ziemlich sauer. Ein grosser Schrift-
steller ist er nicht. Ein Alter will sich mühsam, einen grossen Stock
in der Hand, von seinem Sitze erheben. Er scheint noch ausgehen
zu wollen. Ein anderer lässt müde den Kopf hängen, die Hände
auf dem Schoosse gekreuzt (links unten vom Propheten Jesaias,
Seite 133). Wieder ein anderer ist mit dem Kopfe vorwärts bis auf
das Knie hinabgesunken und so fest eingeschlafen (links unten von
der persischen Sibylle, Seite 132). Die Meisten aber und besonders
die Frauen sind mit der Pflege und Erziehung der Kinder beschäftigt.
Eine hat ihr Wickelkind auf dem Schoosse eingeschläfert und ist selbst
darüber eingenickt (rechts unten von der persischen Sibylle, Seite 132).
Eine andere schaukelt es noch; aber das grössere, das ihr zu Füssen
in einem Korbe liegt, ist schon eingeschlafen. Eine dritte hat, im