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Michelangelo
der Decke
schlafFung, beinahe wie im Tode darzustellen, Bilder von stiller Ge-
inüthlichkeit, ohne alle lebhafte Erregung. Ganz treffend sagt Burck-
hardt, es finde sich unter ihnen "mehr als ein Motiv des höchsten
Ranges, obwohl der Ausdruck nirgends die Innigkeit, oder sonst einen
activen Affect erreicht."
Kommen Wir nun 2) zu den Bildern in den Lünetten, zunächst
über den Fenstern, welche auch Familienbilder darstellen, aber immer
in zwei Hälften gethcilt, so ist hier Wieder mehr Leben als in denen
der Stichkappen, aber ich möchte sagen: doch auch Stillleben. Die
Gruppen in den Stichkappen, die fast horizontal vor den Fenstern
überhängen, sind einfach, wie beliebige andere Bilder, dahin gemalt,
WO Platz für sie ist, aber nicht so, als wenn man sich denken könnte,
oder sollte, dass die Personen, die man da sieht, wirklich da oben
an der Decke sässen. Die Lünetten aber sind Stücke der gerade
aufrechten Wand oberhalb der Fenster, und hier kann man sich also
gut wieder, ja noch leichter als bei den Gewölbezwickeln vorstellen,
es sei da wirklich ein Ort, wo Jemand so sitzen könnte. Und so ist
es denn auch behandelt, der halbrunde Raum über dem Fensterbogen
durch die Tafel über der Mitte desselben in zwei Hälften getheilt und
in jeder derselben eine Bank an den Fensterbogen gelehnt. Dies
giebt einen ganz bequemen Sitzplatz für eine Person, etwa wie in
einem Coupee eines Wagens, und allenfalls auch noch für ein oder
ein Paar Kinder, und ebenso ungezwungen ergiebt sich daraus die
Stellung der Personen, die da sitzen, so dass sie im Ganzen relief-
artig, wie an den Zwickeln, im Profil dasitzend zu sehen sind.
Freilich müssen sich dabei die in den beiden Hälften der Lünetten
Rücken
den
z ukeh ren
und thun
auch vielfach;
aber
indem
sie
sich
doch auch hier und da nach einander umdrehen, ist eben damit um so
deutlicher auf einen Zusammenhang oder Zusammengehörigkeit als
Glieder einer Familie hingedeutet; oder, auch wo dies nicht der Fall
ist, kann man sie sich ungezwungen dazudenken. Mann und Frau
bekümmern sich ja auch im Leben nicht immerfort um einander, wenn
jedes an seiner Stelle genug sein Theil zu thun hat. Die Bilder in
den Lünetten kommen übrigens durch ihre Grösse und den Reich-
thum der Erfindung den Hauptfiguren an den Zwickeln des Gewölbes,
den Sklaven, ja selbst den Propheten und Sibyllen sehr nahe und
bilden also noch einen bedeutenden Theil des ganzen Werkes; aber