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der Decke
Michelangelo
abbildung ausdrücken, dem die Malerei durch möglichst kräftige
Modellirung wenigstens so nahe als möglich kommen soll, so schliesst
es doch durch den Ausdruck "Relief" noch eine nahere Vergleichung
dessen ein, was die Plastik eben nur im Relief mit der Malerei gemein
hat, die Ausbreitung der Bilder auf einer Fläche, auf die Ansicht von
einer Seite berechnet. Um bei der Ausbreitung auf einer Flache,
oder in der Ansicht von einer Seite doch plastisch zu wirken, müssen
die dargestellten Dinge selbst möglichst wie in einer Fläche ausge-
breitet gedacht, nicht in der Tiefe hintereinander gestellt sein. Es
müssen keine starken Verkürzungen angewandt werden, die selbst beim
starken Hochrelief der Pergamener nicht leicht verständlich wirken.
Daran halt sich nun Michelangelo in der Regel auch hier als Maler.
Er malt mit starker, man kann sagen hoch plastischer Modellirung
durch Licht und Schatten, aber doch reliefartig ohne viel starkes
Hervor- oder Zurücktreten der Theile.
Aber er motivirt nun diese seine Form der Darstellung, dies
Formalprincip seines Stiles, möchte ich sagen, hier an diesen Gewölbe-
zwickeln höchst einfach realistisch dadurch, dass er die Menschen so
daran hininalt, als sässen oder standen sie wirklich da oben, über
der Wand der Kapelle, frei auf schmalen Rändern oder Ecken ohne
Geländer, und müssten sich in Acht nehmen, nicht herunter zu fallen.
Daraus folgt dann von selbst, dass sie sich möglichst in der Flache,
an der sie gemalt sind, mit ihren Gliedmassen ausbreiten, ohne Vor-
streckung heranhalten müssen.
Um auf diese Illusion einzugehen, müssen wir freilich davon ab-
strahiren, dass die Gewölbezwickel selbst keine gerade aufrechten
WVände sind, sondern vornüberhängen, so dass sich in der That Niemand
mehr an ihnen halten kann. Dies erleichtert uns aber der Künstler
dadurch, dass er die Flächen der Zwickel mit einer perspectivisch ge-
malten, architektonischen Gliederung überzieht, welche scheinbar
gerade zu dem, ebenfalls nur gemalten Gesimse ansteigt, mit dem er
die Mitte der Decke oberhalb der Zwickel rings umgeben hat. Man
spricht wohl geradezu von einer fingirten Construction, die Michel-
angelo in die Decke hinein gemalt haben soll. Das geht wohl zu
weit. Der Gedanke dieser Construction an Stelle der wirklich vor-
handenen, lasst sich nicht durchführen; auch die Perspective ist nicht
vollständig so durchgeführt, als sähe man von unten aus an einer