Die aufrechte
des
Haltung
Menschen
Füssen, die den Menschen am auffallendsten vom Thier unterscheidet.
Das Kind selbst scheint, wenn ihm dieser Act zum ersten Male ge-
lingt, triumphirend seiner Menschenwürde sich bewusst zu werden.
In denselben Tagen, als diese alte Geschichte in meinem Hause
wieder einmal neu war, bot sich den Tübingern zum ersten Male ein
ähnliches Schauspiel in grösserem Maasstabe. Denn gleichzeitig mit
meiner Wenigkeit hielt in unserer Musenstadt auch das neue deutsche
Reich seinen sichtbaren Einzug in Gestalt des Bataillons, unter dessen
Fahnen unsere studirende Jugend künftig nicht wie bisher nur zum
Behufe der abgedroschenen Spielerei des Paukens, sondern zum ernsten
Dienste für das geeinigte Vaterland in den Waffen geübt werden soll.
Und so sehen wir denn jetzt hier täglich eine ganze Anzahl grosse
Kinder unseres Volkes, die schon lange Stehen und Gehen gelernt
haben, einen Wiederholungscursus in dieser edeln menschlichen Leibes-
übung durchmachen, durch welchen ihnen noch eine gesteigerte
stramme Haltung beigebracht werden soll. Das Vergnügen daran
scheint freilich bei den Betheiligten nicht immer so gross zu sein wie
bei jenem ersten gelungenen Versuche des Kindes, und auch die
Herren Eltern sollen nicht immer sehr erbaut davon sein, namentlich
solche, deren Patriotismus noch aus der Schule der weiland gross-
deutschen Demokratie stammt. Aber das wird sich Alles geben. Ich
für mein Theil bin gerade in dieser Zeit noch besonders disponirt
gewesen, die Sache von der heiteren Seite zu nehmen. Der Einzug
in diese meine neue Heimath bedeutete für mich zugleich die Rück-
kehr in das alte Vaterland, das neue Reich, das ich kurz nach seiner
Gründung sehr ungern verlassen hatte. In so einer Lage ist man
natürlich geneigt, den Institutionen des Vaterlandes die günstigste
Auffassung entgegenzubringen und ich war, aus Oesterreich zurück-
kehrend, in der Lage, allerlei Vergleichungen anzustellen, aus denen
ich schliessen möchte, die stramme körperliche Zucht, in die das
deutsche Volk durch den preussisch militärischen Geist genommen
worden ist, sei nicht ohne inneren Zusammenhang mit der festen sitt-
liehen Haltung, welcher wir mehr als irgend sonst einer eminenten
Qualität eine gewisse Ueberlegenheit über unsere Nachbarvölker, auch
die stammverwandten nicht ausgenommen, verdanken.
Von dem bescheidenen Standpunkte meines Fachstudiums, der
Beschäftigung mit dem Gefüge des menschlichen Körpers aus bin ich