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Menschen des Michelangelo
Die
That des Menschen, dass der Gedanke und die Fähigkeit, ihn zu ver-
körpern, zusammenstimnlcn müssen.
Dagegen kann man am Ende doch noch fragen, was wohl bei dem
Künstler selbst das Erste ist, was ihn zu seinen Schöpfungen
treibt und ihre Gestalt bestimmt, der Gedanke, der am Ende aus dem
Werke herausleuchtet und für dessen von vorn herein beabsichtigte
Darstellung oder Verkörperung die richtige Form gesucht und ge-
funden wird, oder umgekehrt das äussere Bild der Erscheinung;
das zuerst sinnlich angeschaut wird und dann als Abbild eines
gewissen inneren Sinnes oder Gedankens erkannt wird und zur An-
wendung kommt. Man kann sich das Erstere wohl denken als den
Weg, auf welchem ein Künstler eine ihm von Andern gestellte
Aufgabe zu lösen versucht, das Letztere eher als die Veranlassung,
durch die er von selbst auf seine glücklichsten Conceptionen kommt.
Denn das Gefühl des Könnens und der Trieb zum Gestalten ist doch
wolil oft der erste Grund zum Hineingreifen in's volle Menschenleben
und die Fülle der Erscheinung desselben, und dann kommt etwas heraus,
worin der, der es gemacht hat, erst hinterher mehr inneres Leben entdeckt,
als er zuvor dabei im Sinne gehabt hat. Das ist Wohl auch die Mei-
nung der alten Geschichte von Pygmalion, dessen Göttin ihm in den
Armen warmes Leben annahm, nachdem er sie aus Stein gebildet
hatte. Und gerade bei einem Manne wie Michelangelo, der in einem
langen Leben frühe schon die Technik der Darstellung des mensch-
lichen Körpers mit vollkommener Meisterschaft beherrschte, aber mit
den Jahren immer tiefere Gedanken in sich und seinen Werken ent-
wickelte, der von sich selbst sagt, dass die Lust am Bilden ihn ab-
göttisch beherrscht habe, dann aber zuletzt doch unbefriedigt von ihr
sein Heil in höheren, in religiösen Ideen sucht, können wir uns auch
bei seiner künstlerischen Thätigkeit es laaum anders denken, als dass
seine Erßndung von der äusserlichen Formgebung zu der innerlichen
Gedankenverkörperung fortgeschritten sei und nicht umgekehrt, und
dies wird uns um so wahrscheinlicher bei vergleichender Betrachtung
mancher seiner Hauptwcrke mit anderen viel unbedeutenderen, die
doch eine grosse äusserliche Aehnlichkeit mit einander zeigen.
Jakob Burckhardt sagt ü) zu seiner Charakterisirung einmal:
Cicerone,
und 434.
Anleitung
eine
zum
Genusse
der
Kunstwerke Italiens ,
64-5