mit der Antike.
Vergleich
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wenig strengen sie dieselben an und arbeiten mit ihnen auf irgend
ein Ziel los, sondern sie sitzen unbeweglich in einer wie zufällig an-
genommenen Stellung auf ihrem Stuhle, und nur die beiden Theile
des willkürlichen Bewegungsapparates, die am directesten den Zwecken
des Geistes dienen, die Hände und der Blick, machen irgend eine
sehr bestimmte kleine Anstrengung. Auf sie hat sich gleichsam die
Beseelung des Körpers zurückgezogen, wie in der That der geistig
arbeitende Mensch beinahe von diesen beiden allein noch einen bewusst
willkürlichen
Gebrauch
macht ,
dafür
aber
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ihnen
auch
einen
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ausdrücklicheren.
Als grosses typisches, plastisches Beispiel dieser Art von Dar-
stellung geistiger Vertiefung im Bilde der zerstreuten Körperhaltung
sitzend in sich zusammengekauerter Gestalten betrachten wir noch
die eine der Statuen auf den Mediceergräbern in der neuen Sacristei
zu S. Lorenzo in Florenz, die des Herzogs Lorenzo oder, wie
die Italiener sie genannt haben, des Denkers (il Pensiero). Auch hier ist
Ruhe im ganzen Körper, und auch selbst in Kopf und Händen
keine Energie. Fast das Einzige, was durch eine bestimmte Muskel-
anstrengung bewirkt oder erhalten wird, ist die Vorstreckung des
rechten Ellbogens, und auch diese dient nur dazu, die Hand desto be-
quemer auf den Oberschenkel stützen zu können, ohne dass sie ab-
gleitet. Der linke Arm ruht spitz und fast balancirend mit dem
Ellbogen auf einem Ding wie ein Buch oder Kästchen (mit einem
Thierkopf verziert), das auf dem Knie liegti"). Die erhobene Hand
aber halt ein zusaminengeknülltes Taschentuch") vor den Mund und
unterstützt wieder leise das Kinn des unter dem schweren Helm vor-
wärts gesenkten Kopfes. Es ist das Bild einer Vergeistigung bis zur
Verweiclilichung, eines Sichverlierens im Sinnen, einer gedankenvoll
brütenden Zerstreutheit, die sich mit dem gedankenlosesten Natur-
zustande doch wieder sehr nahe berührt, indem beide in die gleiche
träumerische Stimmung auslaufen. Springt doch auch in dem Cultur-
zustande, den wir als Blasirtheit bezeichnen, die Abspannung von zu
gesteigerter geistiger Vertiefung oder Verfeinerung in ein uranfang-
i") Es ist nicht, wie Grimm angiebt, eine Armlehne des Sessels.
H) Es ist nicht, wie ich es früher, getäuscht durch das Bild einer Photo-
graphie gerade von vorn, beschrieben habe, ein mit der Hand von hinten um den
Nacken herum gczogenes Tuch.