Volltext: Vorträge über Plastik, Mimik und Drama

der Antike. 
Vergleich mit 
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oder Erwachens u. s. w. haben, so passt doch auch auf sie der all- 
gemeine Charakter jener träumerisch hingegossenen Ruhe in einer 
Zerstreutheit, die nicht ails zu vertiefter, sondern vielmehr aus noch 
nicht entwickelter Reflexion hervorgeht. Wenn wir sie uns, abge- 
sehen von der Situation des Moments, in dem Wir sie sehen, überhaupt 
als Menschen (lenken, so sind es Menschen auf der Stufe eines idylli- 
schen Naturzustandes, wie man ihn sich als Vorstufe einer harmoni- 
schen Entfaltung aller Kräfte denken kann, Menschen, die in ahnungs- 
voller Unklarheit noch oh ne Cultur, aber mit der Anlage zu den 
Freuden und Leiden des Lebens uns wie grosse Kinder vorkommen, 
die mit den Kräften, welche in ihnen schlummern, nur noch spielen. 
Sie repräsentiren, wie jede einzeln nach dem aufgefassten Momente, 
so alle zusammen auch dem Charakter nach die Grenzen der Mensch- 
heit, 
ihr 
Erwachen 
ZIIIII 
Bewusstsein 
seiner 
selbst, 
ihr Versinken 
oder 
in Vergessen seiner selbst, ausgedrückt durch die Nachlässigkeit im 
Halten des Körpers, der im Ganzen wie ein todtes oder doch nur 
vegetirendes Gebilde am Boden haftet und nur mit einzelnen un- 
motivirten, excentrisch ausgreifenden aber matt ausgeführten Deh- 
nungen seiner Glieder ein eigenes Leben andeutet. 
Und diesen allgemeinen Charakter haben nun auch die vielen, 
Weniger ausführlich und eigenthüinlich behandelten nackten Figuren, 
die Michelangelo neben grösseren Hauptpersonen seiner Werke als 
Beiwerk verwendet. S0 namentlich an jener sixtinischen Decke 
(s. u. Seite 132, 133), WO neben den grossen Hauptliguren dreieckige 
Räume über den Bogen der Fensternischen ausgefüllt sind mit nackten 
Figuren in den Wunderlichsten Stellungen, gegen Welche die der 
schlafenden Statue der Nacht noch sehr einfach und natürlich er- 
scheint. 
Wir 
haben 
den 
Eindruck , 
als 
wüssten 
nicht 
anders, als dass man auch so existiren könne, als wären sie in 
dieser Lage geboren oder gewachsen. S0 ist der Mensch in mög- 
lichst unfertigeln Zustande seines geistigen Bewusstseins gleich- 
sam nur wie eine andere Art von Gewächs zu Ornamenten ver- 
wandt, (licht neben den Bildern seiner tiefsinnigsten Versenkung 
in das rein geistige Leben. Dieser geringste Grad geistiger Indi- 
vidualität scheint auch (iadurch angedeutet, dass diese Menschen wie 
Stücke des Gewölbes zu zwei über einem Fenster symmetrisch ange- 
ordnet sind, ausserdem auch nicht in Farben ausgeführt, wie die
	        
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