Volltext: Vorträge über Plastik, Mimik und Drama

Vergleich mit 
der 
Antike. 
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Action aller Glieder ist es nun, was uns die Stellungen der Figuren 
von Michelangelo zur Anschauung bringen. Da strebt nicht Alles zu 
einem Ziele, da ist die Beseelung der Muskeln nicht überall gegen- 
wärtig, sondern sie sind zum Theil ganz unthätig, lassen die Glieder, 
statt ihnen eine bestimmte Haltung zu ertheilen, schlaff in ihren Ge- 
lenken hängen, oder auf irgend einer Unterlage ruhen, und nur hier 
oder da ist der eine oder andere Theil durch einen vereinzelten Zug 
einiger Muskeln in Folge ebenso vereinzelter Willensacte hier oder 
dahin gebogen. Die Seele, der Wille hat sich gleichsam von dem 
Körper zurückgezogen, oder sich der Herrschaft über seine Haltung 
noch nicht allgemein bemächtigt, sondern lässt nur nach Laune dieses 
oder jenes Glied aufstehen und zeigen, dass doch Leben darin ist, 
während die anderen wie ein Geräth, das man nicht braucht, sich 
selbst überlassen herumhängen oder -liegen. Wie Faust beim Anblick 
seines alten Urvaterhausrathes den Eindruck hat: 
,Was man nicht nützt, ist eine schwere Last", 
scheint es uns, trzigen diese Menschen des Michelangelo an ihren 
enen Leibern nur einen Ballast mit sich herum. Je mächtiger 
1 die Muskeln auf diesen Schultern und Schenkeln häufen und auf 
so, schei 
eigenen 
sich die 
einen grossen KraftVorrath schliessen lassen, je mehr haben wir den 
Eindruck einer Masse, die zu nichts nütze ist, weil die Seele sie nicht 
mit 
Lust 
verwendet , 
sich 
also 
auch 
nicht 
wohl 
und 
wie 
ihreln 
eigenen Leibe zu Hause darin fühlt. Verlohnt es sich wohl, dies dar- 
zustellen und anzusehen, so fragen wir nochmals; denn von dem 
schönen Bilde des frischen blühenden Lebens, das uns die eWig jungen 
Griechen zeigten, ist es freilich das gerade Gegentheil, statt des 
durchgeistigten Leibes eine halbe Leiche, die nur hier und da ein 
Zeichen giebt, dass noch eine Seele in ihr Wohnt. Und doch ist auch 
dies ein Gegenstand, der ein eigenes hohes Interesse erregen kann 
und muss, auch nach der Antike noch eine eigene neue, berechtigte, 
(lurßh Wahrheit grosse That der Kunst sein kann, so gut Wie die 
Erschütterung der Tragödie ein total neues, nicht minder bedeutendes 
Werk der Poesie ist nach der unbefangenen Freude am Homer.  
Um dies zu erkennen, müssen wir uns nur klar machen, was 
für besondere geistige Zustände, Stimmungen können es sein, welche 
in dieser Zerstreuung der Herrschaft über den Körper ihren natür- 
lichen und darum sprechenden Ausdruck Enden, und wir können dies
	        
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