Michelangelo
Menschen des
Wenn wir tanzen, so wissen wir nur, dass uns wohl ist, und dass wir
den Tact der Musik hören; aber fast alle Theile unseres Körpers
folgen diesem Tacte wie von selbst mit einer sehr complicirten Be-
wegung, und wir merken es kaum, dass sie doch von unserem Wiillen
geleitet werden muss. In allen Gliedern selbst scheint der Rhythmus
durchznklingen.
Ein solcher Zustand, in welchem wir Seele, Leib und die ein-
zelnen Glieder desselben kaum noch unterscheiden, weil, was die Seele
will und was die Glieder des Leibes verrichten, wie von selbst zu-
sammenstimmt, ist nun offenbar ein Zustand voller Gesundheit beider,
ein jugendkräftiges volles Leben im Genusse dieser Gesundheit, wie
es ein gesunder Zustand des Staates ist, wenn alle seine Glieder wie
aus eigenem Antriebe das zur That machen, was seine Regierung be-
schlossen hat. Und dieser Zustand voller, frischer, freudiger, gesunder
Lebenskraft ist es, was die Statuen der Griechen uns in ewiger
Jugend verkörpert darstellen. In ruhiger aber fester Haltung stehen
sie da, oder auch, wenn sie in gewaltiger Anstrengung sich stemmen
oder strecken wie ein kämpfender-Fechter, oder selbst ein leidender
Laokoon, immer ist der ganze Körper von der einen Action ganz
durchdrungen, eins mit sich und seiner Seele bis zum letzten Hauche.
Giebt es, fragen wir uns, nach dieser klassischen Leistung, Ver-
körperung der schönsten Harmonie des Lebens im vollen Gebrauche
seiner Organe, noch eine höhere oder auch nur eine andere Aufgabe
der bildenden Kunst, die den Menschen zu ihrem Gegenstande hat,
zu der es der Mühe verlohnte, ihn in einem"entgegengesetzten Zu-
Stande von Leib und Seele darzustellen? Kann es uns erfreuen oder
auch nur interessiren, andere mögliche Stellungen unserer Glieder
dargestellt zu sehen, die uns neu und überraschend entgegentreten
müssen, wenn in den gewöhnlicheren, natürlieheren, die die Griechen
uns zeigen, allein der Zweck des Lebens sich erfüllt zeigt? Dies
Wohlgefallen an der zwanglosen Haltung der Glieder in gegenseitiger
Zusammenstimmung, die nichts Geschraubtes und Willkürliches kennt,
diese Grazie mit einem Worte ist nicht zu überbieten. Diese Har-
monie wird zur Dissonanz, wenn die Glieder
werden, dies hierhin, dies dahin geworfen,
getrennte Wege geführt
das dritte sich selbst
überlassen.
Eine
solche
Auflösung
des
harmonischen
Zusammenbau] ges
der