des Michelangelo
Menschen
Die
dies Alles aus dem menschlichen Körper sich machen lässt, muss man
förmlich darauf studirt, ja muss man fast, wie Michelangelo ohne
Zweifel es gethan hat, Leichen auf Tischen herumgeworfen und ver-
sucht haben, wie sich ihre Glieder alle verschränken lassen. Hieraus
könnte man denn leicht folgern, dass seine Werke, welche uns das
Ergebniss derartiger anatomischer Experimente plastisch verkörpert
zeigen, auch nur einen Anatomen interessiren und befriedigen können,
der auch gern wissen und sehen will, welche Lagen alle unsere
Glieder abwechselnd einnehmen können.
Indess die wichtigste Frage ist doch erst noch, 0b und unter
welchen Bedingungen solche Körperstellungen doch auch im Leben
vorkommen können und was für innere Zustände des Menschen sie
dann ausdrücken. Um dies zu beurtheilen, müssen wir zuvor den
Antheil unterscheiden, welchen überhaupt verschiedene Organe des
Körpers daran haben, wenn derselbe in verschiedene Lagen gebracht
wird. Wir unterscheiden zweierlei zum Bewegungsapparat gehörige
Organe: 1. passive Glieder der Maschine des Skelets, die Knochen
und ihre sie verbindenden Gelenke; 2. activ treibende, Quellen be-
wegender Kraft, welche an dieser Maschine angreifen, die Muskeln
und ihre sie erregenden Nerven. Die ersteren bedingen es, dass
unsere Glieder sich in gewissen Richtungen und bis zu gewissen
Graden biegen oder strecken lassen. Die letzteren vermitteln es, dass
wir diese möglichen Bewegungen nach unserem Willen ausführen
können. Man ist nun leicht geneigt, sich das, was wirklich geschieht,
Ruhe und Bewegung des Körpers, zu einfach nur aus der Function
jener beiderlei Organe zu erklären: die Maschine des Skelets ohne
Muskelwirkung in Ruhe, den Eintritt einer Bewegung durch Angreifen
dieses oder jenes Muskels auf Befehl unseres Willens. Man übersieht
dabei, dass auch noch andere, nicht von unserem Willen abhängige
Kräfte theils wechselnd, theils beständig auf dieselbe Maschine ein-
wirken, namentlich die eigene Schwere ihrer einzelnen Theile. Diese
können ohne alle Betheiligung von Muskeln Bewegung veranlassen,
oder umgekehrt auch im _Ruhezustande Muskelwirkungen nöthig
machen, um eine ungewollte Bewegung zu hindern.
Bei den Körperstellungen, deren Bedingungen wir aufsuchen
wollen, ist nun offenbar der passive Theil des Apparates stark in
Anspruch genommen, den Gelenken stellenweise Gewalt angethan, und