VI
Vorwort.
meinem besonderen Berufe erwählt habe. Sie kommt aber nun in der
"Plastik", will sagen: in der bildenden Kunst (so wie Lessing einfach
„Malerei" dafür sagt) besonders zur greifbaren Anwendung, weil hier
eben der Ausdruck der flüchtigen Erscheinung des Lebens so {ixirt
ist, dass er dauernden Eindruck macht und dass er ruhig beobachtet
und analysirt werden kann. Desgleichen geschieht dasselbe noch
lebendiger, aber doch auch in bewusster Nachahmung und kunst-
mässiger Verkörperung durch die „Mimik" im engeren Sinne, im Spiele
des Theaters. Zuerst und zuletzt aber muss es immer wieder im
wirklichen Leben gesucht, gefunden und bestätigt werden. Mit dem
Studium der Mimik des Theaters hängt dann auch die Zergliederung
der Kunst der dramatischen Dichtung zusammen, die ich ebenfalls
von Jugend auf als Liebhaberei betrieben habe, und so fasse ich
diese Studien hier als zerstreute Beiträge zu einem in sich doch ein-
heitlichen Gedankenkreise zusammen. Nur ist der Unterschied, dass
ich mit den Anwendungen desselben auf die bildende Kunst, ins-
besondere auf Michelangelo, schon mehrfach hervorgetreten bin und
mir auch schmeicheln darf, bei Männern vom Fach, Beruf und Ge-
schmack, wie Jakob Burckhardt und Alfred Woltmann, freundlichen
Beifall gefunden zu haben, während meine dramaturgischen Versuche
bisher wenigstens meist nur anonym erschienen sind und sich ihren
Platz und ihre Würdigung in Kreisen der Literatur und des Theaters
erst zu erwerben haben werden.
Die nöthigen Notizen über bisherige Publicationen der einzelnen
Stücke sind in Anmerkungen zu denselben gegeben. Von den beige-
gebenen Abbildungen kann ich nur sagen: „ein Schelm giebfs besser, als
er's hat". Ich habe sie fast alle selbst gemacht, um in der Auswahl
möglichst unbeschränkt zu sein, und mich dabei für Bilder an Photo-
graphien, für Skulpturen mehr an eigene Skizzen gehalten. Ich hoffe,
sie werden als anschaulicher Anhalt für meine Betrachtungen genügen.
Lugano,
den
September
1891.
Henke.