Verona.
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neben dem Bogen dieser Portale, sowie die von Engeln gehaltene Schrift-
tafel an dem einen Thürbalken mit dem sinnigen Spruch: ipecunia si uti
scis ancilla est, si nescis dominaxr Besonders hübsch und originell wirkt
der Balkon dieses Palastes, der, wie mehrfach in Verona, am Eck an-
gebracht ist und auf kräftigen Consolen ruht. Charakteristische Beispiele
solcher Paläste sind etwa noch via Pigna 6 und der albergo Academia,
während dagegen via quattro spade 2 ein reiner Frührenaissance-Palast,
der zwar in seinen Portalen einige Aehnlichkeit mit jenem der via S. Eu-
femia besitzt, sich ihm gegenüber vor Allem aber schon durch reichen
malerischen Schmuck auszeichnete.
Verona ist in der F rührenaissance wie gesagt keine herrschende
Kunststadt mehr, auch besitzt es, abgesehen von der Loggia, keine gross-
artigen Paläste aus dieser Periode; gross ist aber die Zahl der kleineren,
künstlerisch beachtenswerthen Paläste dieser Zeit, und das verleiht der
Stadt einen hohen Reiz, den sie mit mehreren Städten Oberitaliens theilt,
jedoch stets durch die geschichtlichen und kunstgeschichtlichen Verhältnisse
variirt. Das glänzendste Beispiel dieses Vorzuges oberitalienischer Städte
ist natürlich Venedig, das eine solche Fülle künstlerisch interessanter
Paläste besitzt, wie keine andere Stadt Italiens; in Toscana, vor Allem in
Florenz, entfaltete sich die Kunst weit grossartiger, und so besitzen auch
die hervorragendsten Paläste daselbst einen grossartigeren Charakter; aber
die Zahl derer, die künstlerisch interessant, lässt sich mit derjenigen
der Venezianer Paläste nicht vergleichen, ja dürfte kaum die Veronas
erreichen. Wie sehr steigert sich dies aber noch mit der Verlegung
des Kunstcentrums in der Hochrenaissance von Florenz nach Rom. Die
volle Theilnahme an der Kunst besassen hier eben doch nur beschränkte,
aber vielvermögende Kreise; wer ausser ihnen stand, begehrt der Kunst
auch nicht für die Fagade seines Palastes; neben dem prächtigsten Palast
steht und stand dort der schmucklose Nutzbau, während man in Ober-
italien, am reichsten in Venedig, aber auch in vielen anderen Städten, so
vor Allem in Verona, auch dem kleinen Palast noch künstlerischen Schmuck
verleiht. Es ist das einer der Züge, die den vom Süden kommenden
deutschen Wanderer in Oberitalien so heimisch berühren; der kleine Palast
erinnert ihn wohl zuweilen an den so bescheidenen und doch so bedeu-
tenden Schmuck des deutschen Bürgerhauses, aber doch zeigt sich auch
hier gleich wieder der Grundunterschied: dieses wendet die bescheidenen
Mittel, die es dem künstlerischen Schmuck widmen kann, in erster Linie
dem Innern zu, jenes dagegen der Fagadc.
Kehren wir auf den Corso von Verona zurück, um zu dem Ende
der langen Strasse zu gehen, so bildet deren Abschluss die trotzige porta.
Palio, einst porta Stuppa genannt, ein Werk Sanmicheles (I484_15 59),
der in diesen Thoren Veronas dem F estungsbau wahrhaft künstlerisches,