Verona.
Zeigen auch schon die italienischen Paläste des I4. Jahrhunderts die
Absicht, den Bau künstlerisch zu gestalten, wie die Skaligerpaläste durch
ihre Loggien und durch die Säulenhallen, wie sich solche aus dem I4. Jahr-
hundert auch noch in der via Portici erhalten haben, so kann es doch
keinem Zweifel unterliegen, dass gegenüber den gewaltigen, grossentheils
noch ganz ungegliederten Mauermassen, die hier noch in erster Linie den
Eindruck des Palastes bestimmen, erst mit dem I5. Jahrhundert der
Wunsch nach feiner, eleganter künstlerischer Durchbildung der Palast-
fagade erwacht. Eines der seltenen Beispiele eines rein gothischen Palastes
des I5. Jahrhunderts Endet sich corso Cavour IO, das zugleich deutlich
den Einfluss des jetzt ja auch politisch die Stadt beherrschenden Venedigs
zeigt. Aehnlich im Stil, jedoch etwas späterer Zeit angehörig, ist der
stattliche Palast via S. Nicolo I5 und als Beispiele rein gothischer Paläste,
die alle venezianischen Einfluss erkennen lassen, mögen etwa noch die
schönen via S. Mammaso 4 und via Maria chiavica 3 genannt werden.
Uebrigens lässt der Veroneser Palastbau gegenüber Venedig doch eine
entschiedene Selbständigkeit erkennen, wie schon der Vergleich mit
Vicenza lehrt, das lediglich ein Ableger venezianischer Kunst. Bei Verona
war dies schon dadurch nicht möglich, dass die Stadt vorher eine grosse
selbständige Kunstblüthe besessen. Auch in den Palästen spricht sich
dies aus; zuweilen, wie z. B. die beiden letztgenannten, kopiren sie einfach
die venezianische Anlage mit der charakteristischen, ursprünglich offenen,
jetzt durch Fenster geschlossenen Halle in der Mitte des ersten Stockes
als Hauptmotiv; in der Regel aber verwerthen sie die Anregungen freier
und gestalten die Halle meist zu einer praktischeren Fensteranlage um.
Gegenüber jenem Palaste am corso Cavour N0. I0, der uns zu diesem
kleinen Excurs über die spätgothischen Paläste der Stadt führte, steht
ein Frührenaissancepalast, in dem jetzt die banca nazionale. Verona be-
sitzt in der Geschichte der Frührenaissance Oberitaliens in Architektur
und Plastik keine Stellung, die sich jener herrschenden im romanischen
Stil oder auch nur jener in der Gothik vergleichen liessejaber doch dankt
ihr Verona manches ansprechende Kunstwerk, und auch dieser Stil ge-
winnt hier einen eigenartigen Charakter, schon dadurch, dass man wie in
Venedig lange an der Gothik festhielt, während sich andererseits wohl
wesentlich von Mailand her die Frührenaissance hier früher und stärker
als in Venedig geltend macht, was zu einem originellen, reizvollen Misch-
stil führt.
Einer der frühesten dieser Paläste via S. Eufemia 20 ist noch voll-
kommen gothisch; auch die Gesimse, welche die Stockwerke gliedern,
belebt gothisches Laubwerk; nur die Kapitale an den beiden Portalen
lassen in den Engelsköpfen, die über den Blättern hervorsehen, ein
schüchternes Auftreten der Renaissance erkennen und ebenso die Medaillons