Regensburg als mittelalterliche Kunsthauptstadt Bayerns.
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gleich handwerksmässig ausgeführt, doch sehr beachtenswerth 1); es ist
ein gut erhaltener, aus Sandstein gearbeiteter Altar aus der zweiten Hälfte
des I4. Jahrhunderts (2,38 Meter hoch, 1,79 Meter breit, Höhe der stehenden
Figur 0,85 Meter).
Unter Baldachinen sitzt in der Mitte Maria mit dem segnenden
Christuskind, zu ihrer Linken stehen die beiden jüngeren der Könige,
über ihnen schwebt ein Engel, zu ihrer Rechten kniet der greise König,
hinter ihm zwei betende Hirten, über der Gruppe ein Engel, der die
Hirten auf Christus hinweist. Das vorzügliche Werk entstammt sicher
der Regensburger Schule; es gewinnt, abgesehen davon, dass ein der-
artiger, vollständiger Altar aus der zweiten Hälfte des I4. Jahrhunderts
zu den grössten Seltenheiten gerechnet werden muss, noch dadurch an
Bedeutung, dass in Regensburg selbst in Folge der in der Stadt leicht
erklärlichen, durchgreifenden Aenderungen in der folgenden Zeit ein ähn-
liches Werk nicht erhalten ist.
Die Kirchen der Umgebung Regensburgs werden mit dem Fort-
schreiten der Lokalforschung noch manchen derartigen Beitrag zur Kunst-
geschichte der Stadt liefern, besonders auch für das I 5. Jahrhundert,
zumal für die Holzplastik, von der sich in Regensburg in Folge der
späteren Umgestaltungen nur sehr wenig erhalten. Das Bedeutendste in
der Stadt ist der St. Kassiansaltar von 1498 in St. Kassian, eine sehr
feine Arbeit vom Ende des I5. Jahrhunderts, die Madonna in einer Nische
der Nordwand der hl. Kreuzkirche (c. I Meter hoch); wer aber ein Bild
von der Holzplastik der Schule in dieser Zeit gewinnen will, die, wenn
auch in Folge der grossen Ausdehnung der Steinplastik nicht gleich maass-
gebend für die Regensburger Kunst, wie für die des südlichen Bayerns
ist, doch immerhin ganz bedeutend war, der "wird in Oberndorf, Gr0ss-
Prüfening und Tegernheim 2) entschieden mehr finden, als in Regensburg
selbst.
Dies weist aber auch zugleich auf die veränderte, geschichtliche Be-
deutung der Regensburger Plastik im I5. Jahrhundert, zumal gegen den
Schluss derselben; es wird zwar anknüpfend an die grossartige Thätigkeit
des I4. Jahrhunderts auch jetzt noch viel in der Stadt gearbeitet, grössere
Kreise nehmen an der Kunst Theil, sie wird volksthümlicher; der wohl-
habende Bürger bedient sich, wie wir sahen, ihrer zum Schmuck seines
1) Die Decke befand sich, als ich sie im Herbste 1890 sah, in sehr schlimmem Zu-
stand; das seltene Alterthum kann leicht erhalten werden, jedoch muss dringend vor
einem Uebergehen der Malereien gewarnt werden, wodurch sie ihren ganzen Werth verlieren
würden.
2) Siehe über dieses: Zeitschrift des bayerischen Kuustgewerbe-Vereins, 1890 Heft 5 u. 6,
Berthold Riehl: Skizze der Geschichte der mittelalterlichen Plastik im bayerischen Stamm-
lande. Daselbst auch mehrfache Abbildungen von Regensburger Skulpturen.