Regensburg als
mittelalterliche Kunsthauptstadt Bayerns.
eine ziemlich unorganische Rosettendekoration, dann folgt sehr geschickt
in die Hohlkehle komponirtes Laubwerk, dann wieder eine Reihe von
Bestien, die sich beissen und angrinsen. Schon durch die vielen Bauleiter,
die im Laufe der fast dritthalbhundertjährigen Bauzeit dem Dome vor-
standen, noch mehr aber durch die äusserst zahlreichen Steinmetzen, die
hier doch sehr frei schalten konnten, ist diese Mannigfaltigkeit bedingt.
Dass die harmonische Wirkung der Dekoration des Baues hierdurch etwas
beeinträchtigt wird, ist richtig, aber diese ungezwungene, jugendlich über-
sprudelnde A1't hat auch ihren grossen Reiz; jedesmal, wenn man vor
den Dom tritt, Endet man wieder neue, originelle Gestalten unter diesen
Figuren, bald anziehend durch schlichten Ernst und Schönheit, bald er-
heiternd durch köstlichen, echt deutschen Humor, vor Allem aber auch
dadurch erfreuend, dass hier die Phantasiefülle und Phantastik, die dem
bayerischen Volke eigen, ihre höchste Blüthe in der mittelalterlichen
Kunst treibt.
In einem gewissen Gegensatz zu dieser doch wesentlich dekorativen,
plastischen Zier am Aeussern des Domes stehen die Statuen im Innern
desselben. Diese, die natürlich weit besser erhalten, sind, zumal die be-
deutenderen, als selbständige Kunstwerke gedacht; sie sind daher sorg-
faltiger durchgebildet und zeigen weit bedeutender die Vorzüge der Schule,
ihren Schönheitssinn, zumal an den jugendlichen Gestalten, ein freies Auge
für die Natur, eine grosse Mannigfaltigkeit und auch eine gewisse monu-
mentale Grösse. So bilden diese in der Litteratur bisher gar nicht be-
achteten Werke den eigentlichen Höhepunkt der Regensburger, und damit,
was diese Gruppe der Plastik anbelangt, zugleich auch der gesammten
bayerischen Skulptur dieser Zeit.
In den Anfang des I4. Jahrhunderts noch gehören die mächtigen,
bemalten Steinfiguren von Petrus, Bartholomäus und Jakobus, die an den
V ierungspfeilern des Domes stehen; dass das Verständniss für den Körper
hier noch mangelhaft, dass die Köpfe noch nicht individuell durchge-
arbeitet, kann bei der frühen Entstehungszeit nicht Wunder nehmen; aber
die Wirkung der etwas über lebensgrossen Figuren ist doch eine mächtige,
und die Köpfe lassen entschiedenen Sinn für Charakteristik erkennen.
Schon sehr frühe Arbeiten, wie z. B. die hl. Margaretha im nördlichen
Seitenschiff des Domes, zeigen den bedeutenden Schönheitssinn der Schule,
den auch die weibliche Heilige an dem Portal neben dem Brunnen im
südlichen Seitenschiff erkennen lässt, vor Allem aber an dem Ciborien-
altar in diesem Schiff die reizende Verkündigung, wo besonders der Kopf
des Engels von hoher Anmuth. Das vollendetste Werk dieser Art, noch
feiner durchgeführt, individueller belebt als das letztgenannte, ist die V er-
kündigung an den Vierungspfeilern des Domes aus dem Ende des I4.J3.l1l'-
hunderts, die zugleich ein sehr beredtes Zeugniss der feinen Natur-