mittelalterliche Kunsthauplstadt
Regensburg als
Bayerns.
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fertigt), der den Verstorbenen zeigt, wie er eben aus dem Leben scheidet,
und offenbar hat der Künstler die eingefallenen Wangen, die halb-
geschlossenen Augen, die leise aufgezogene Oberlippe auf das Sorgfältigste
an einem soeben Entschlafenen studirt. Am weitesten entwickelt, als
das Werk eines feinen Künstlers, der auch im Besitz einer vollendeten
Technik, erscheint der Grabstein des seligen Ern1inold in Prüfening. Da
der Künstler ein Portrait des Darzustellenden nicht besass, so suchte er
mit freier Wahl nach einem Vorbilde in seiner Umgebung, diesem aber
folgte er dann bis in die individuellsten Züge. Die eingehende Durch-
bildung des Kopfes lässt ebenso wie das sorgfältige Studium des Gewandes
selbst bis zu dem scheinbar Nebensächlichsten, wie etwa den Falten der
Handschuhe, einen Künstler erkennen, der ein gar feiner Naturbcobachter,
der offenbar vielfach direkt nach dem Modell arbeitete.
So wurde durch diese Denkmale, deren naturalistischen Eindruck
noch wesentlich die vollständige Bemalung steigerte, der Natursinn in der
Regensburger Plastik gefördert, namentlich dadurch, dass sie ihr mit dem
Streben, zu portraitiren, das fruchtbarste Element, das jene gewöhnlichen
Grabsteine bergen, zuführte, und ebenso wird durch diese Arbeiten der
Sinn für Schönheit, für eine grosse, in gewissem Sinn monumentale Auf-
fassung genährt. Wirkten diese Grabdenkmale so anregend auf die sta-
tuarische Plastik, so sind sie andererseits ohne diese nicht denkbar, denn
ihr danken sie den Fortschritt vom Relief zu einer völlig freien, runden
Behandlung der Figur, wie sie namentlich der hl. Emmeram und der
selige Erminold zeigen, die sich von Statuen nur mehr durch die Lage
auf dem Sarkophag, durch das weiche Polster, auf dem ihr Haupt ruht,
unterscheiden.
Die ganze bisherige Betrachtung des Regensburger Kunstlebens im
I4. Jahrhundert muss darauf hinweisen, dass auch die Plastik wesentlich
vom Dom ihren Ausgang nahm, und schon der erste Blick auf dessen
West- oder Südseite bestätigt dies. Durch den selten reichen, plastischen
Schmuck durch die Thiere, die an den Friesen hinklettern, die Ungeheuer,
die als Wasserspeier dienen, die zahlreichen Figuren und Gruppen, die
auf Consolen von meist sehr phantastischer Bildung gestellt sind, wie an
der Westseite die Israeliten, die um das goldene Kalb tanzen, das Opfer
Isaaks, die vier königlichen Reiter und eine Fülle Statuen, an der Süd-
seite z. B. der Ritter, Simson, der den Löwen zerreisst, die Jungfrau mit
dem Einhorn, die Juden mit dem Schwein, und vieles, vieles Andere war
der Plastik der weiteste Spielraum geboten. Diese Skulpturen, die theil-
weise natürlich sehr gelitten haben, lassen im Allgemeinen zwar einen
einheitlichen Plan erkennen, nach dem sie angeordnet, im Einzelnen aber
ist die Ausführung völlig frei, ja willkürlich. Verfolgt man nur ein Ge-
Sims, so wird man dies sofort erkennen; eine Strecke weit schmückt es
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