Bayerns.
mittelalterliche Kunsthauptstadt
Regensburg als
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künstlerischer Bedeutung, an Fülle der Produktion zu der kirchlichen in
einem ähnlichen Verhältnisse, wie die profane Architektur zu dem Dom
und den übrigen grossartigen Kirchen; sie erscheint nur als ein Ausfluss
jener, vor Allem interessant dadurch, dass sie von der Theilnahme der
Bürgerschaft an dem Kunstleben, von der beginnenden Kunstpflege durchs
deutsche Haus erzählt; die kirchliche Plastik Regensburgs dagegen, die
im I4. Jahrhundert ihre höchste Blütlie erreichte, zeigt eine der bedeu-
tendsten plastischen Schulen Deutschlands in jener Epoche.
Am Schlüsse des I3. Jahrhunderts, WO die Architektur durch eine so
ausserordentlich reiche Thätigkeit, von der ich ja nur das Bedeutendste
des Erhaltenen kurz erwähnen konnte, die neue Blüthe der Regensburger
Kunst begründete, scheint die Plastik keine hervorragende Rolle gespielt
zu haben. Der Grund liegt nahe, die Plastik folgte der Architektur; erst
nach ganzer oder wenigstens theilweiser Vollendung des Baues konnte
man an dessen plastische Ausstattung denken. Zum Interessantesten aus
dieser Zeit gehören die Holzskulpturen in Niedermünster. Wahrscheinlich
erst der zweiten Hälfte des I3. Jahrhunderts wird hier die Madonna mit
dem Kinde auf dem Ostaltar des nördlichen Seitenschiffes angehören, ob-
gleich sie im Typus sehr alterthümlich; aus dem Ende des Jahrhunderts
stammt die beachtenswerthe Kreuzigungsgruppe in lebensgrossen Figuren
in der Vorhalle von Niedermünster.
Das interessanteste Werk der Steinplastik dieser Periode, das zugleich
in die folgende hinüberleitet, ist das frühgothische Tympanonrelief der
nicht mehr vorhandenen Augustinerkirche 1), das jetzt in St. Ulrich auf-
gestellt ist. Die dreiviertel-lebensgrosse Gestalt Christi in der Mitte des-
selben, neben dem links und rechts die kleineren Figuren des Stifters
und der Stifterin knieen, hat noch die Haltung, im Wesentlichen auch die
Gewandmotive, wie wir sie schon in der Mitte des II. Jahrhunderts am
Portal von St. Emmeram, um 1200 an dem Reichenbacher Christus sahen;
aber der Fortschritt gegenüber dem letzteren ist nicht geringer, als jener des
Werkes um 1200, entgegen dem aus der Mitte des ILJahrhunderts. Die
Figuren zeigen jetzt volle plastische Rundung und durchweg feine Mo-
dellirung, die tief ausgearbeiteten Falten sind ganz naturalistisch beobachtet
und lassen sogar den Unterschied des Stoffes in Unter- und Obergewand
erkennen, die weichen Locken sind fein durchgeführt, das Detail bis zu
den kleinen Hautfalten an der Hand mit grösster Sorgfalt beobachtet.
Die wirklich plastische Auffassung der Figur, der Fortschritt in feiner und
damit selbverständlich verbunden in individueller Beobachtung der Natur,
erscheint überhaupt als die Triebfeder der Entwicklung der mittelalterlichen
der Regens-
1) Der Bau dieser Kirche wurde nach Paricius: Historische Nachrichten
burger Klöster. Regensburg 1753 p. 423 im Jahre 1267 vollendet.