Regensburg als mittelalterliche Kunsthauptstadt Bayerns. "'37
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noch eben so gut von der kirchlichen Kunst ausgeht, wie in der roma-
nischen, doch einen wesentlich anderen Charakter als in jener gewinnt,
zeigen schon jene zahlreichen profanen Bauten an, ja sogar der Dom
selbst durch seine Baugeschichte. Denn nicht mehr ist es der Bischof,
der hier als Bauherr erscheint, sondern die städtische Gemeinde, und die
Ausführung des Baues vollbringen nicht mehr Mönche, sondern städtische
Handwerker und Meister. Die Bettelordenkirchen der Dominikaner und
Minoriten aber, die bedeutendsten Bauten der Gothik neben dem Dom,
die in ihrem Charakter so wesentlich durch die Tradition ihres Ordens
bedingt Werden, zeigen, wie damals in Regensburg gleichzeitig verschie-
dene Kunstrichtungen neben einander laufen, was einer reichen künst-
lerischen Entwicklung nur förderlich sein konnte.
Die Stadt leitet jetzt in erster Linie das künstlerische Leben; die
Gothik bedurfte eine Stadt, und zwar eine bedeutende und reiche, um
ihre ganzen Vorzüge zu entwickeln, was in Regensburg schon ein Blick
auf das glänzende Aeussere des Domes bestätigt; sie bedurfte, zumal im
östlichen Deutschland, das weit von der französischen Heimath der Gothik
entfernt, einer Stadt mit weitgehenden Verbindungen, um Verhältniss-
mässig frühe Aufnahme, eine consequente Entwicklung zu finden. Regens-
burg ist daher auch die einzige Stadt im bayerischen Stammlande, die
ein vollständiges Bild vom Eindringen der Gothik in der Mitte des I3. Jahr-
hunderts bis zur Entwicklung ihrer vollen Blüthe im I4. Jahrhundert
gewährt.
Auf dem Lande, wie in den kleinen Städten baute man noch lange
Zeit im alten Stil weiter; eine Architektur des Uebergangsstiles, der das
allmähliche Eindringen der gothischen Formenwelt zeigt, giebt es hier
nicht; auch frühgothische Werke fehlen meist gänzlich, sie beschränken
sich auf Städte wie Ingolstadt, Landshut, München etc. Nur einzelnes
Detail, ab und zu verwerthete Spitz- und Strebebogen erinnern bei
grösseren Bauten in der Mitte des I3. Jahrhunderts an den mächtigen
Umschwung der Architektur, der sich in den Hauptstädten der Kunst-
entwicklung vollzog. Selbst Kirchen, die dem Regensburger Domkapitel
gehörten und deren Bau von dort aus beeinflusst war, haben wie die von
Perschen und Chammünster in der Mitte und zweiten Hälfte des I3.Jal'1l'-
hunderts noch wesentlich romanischen Charakter; bei den kleinen Dorf-
kirchen aber hielt man offenbar bis gegen den Schluss des Jahrhunderts
an dem alten Stile fest. Erst als sich die Gothik in der Stadt ganz ein-
gebürgert und in consequenter Ausbildung des Stiles zur Herrschaft ge.
langt war, begann sie von hier aus auch auf dem Lande F uss zu fassen.
Ganz anders natürlich lagen die Verhältnisse im westlichen Deutschland,
besonders in den städtereichen, rheinischen Gegenden, welche die regsten
Beziehungen zu Frankreich hatten, bei denen dadurch die Gothik rasch