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Bayerns.
Regensburg als mittelalterliche Kunsthauptstadt
der Kirchen, wie in denen der Fürsten zahlreich vertreten waren und
häufig unseren Künstlern direkt als Vorlage dienten.
So schreitet hier ähnlich wie in der Architektur die Regensburger
Kunst vorwärts, dadurch, dass sie an älterer, überlegener Kunst lernt; das
Gegebene verarbeitet sie aber selbständig, denn das ganze Wesen der
deutschen Kunst am Ende des I0. und in der ersten Hälfte des II. Jahr-
hunderts ist eben so verschieden von dem der karolingischen, wie von
dem der byzantinischen Kunst. Wie in der Architektur das Kunstleben
Regensburgs weithin befruchtend wirkte, so auch in der Malerei. Die
bedeutende Miniaturmalerei der bayerischen Klöster jener Zeit erhielt
offenbar ihre Wichtigsten Impulse von Regensburg, und die Bamberger
Malerei der nächstfolgenden Periode, für deren Bearbeitung ein sehr be-
achtenswerthes Material vorliegt, kann in gewissem Sinne als eine Fort-
setzung jener Regensburger Schule angesehen werden.
Zeigte sich bei den bisher besprochenen Kunstwerken vor Allern der
fürstliche Hof als Förderer der Kunstentwicklting Regensburgs, so weisen
andere auf den bischöflichen hin. Von dem romanischen Dom, der hier
in erster Linie in Betracht zu ziehen wäre, hat sich leider in Folge des
grossartigen gothischen Neubaues der Kathedrale keine Spur mehr er-
halten, aber gleich in nächster Nähe des Domes neben dessen Kreuzgang
besitzen wir in St. Stephan ein Bauwerk, das wohl als I-lofkapelle für
den Bischof diente und interessant erscheint durch den Einfluss, den es
auf Privatkapellen in Regensburg und Umgebung übte 1).
St. Stephan mit seinen eigenartigen Wandnischen gehört wahrschein-
lich in den Beginn des II. Jahrhunderts; die westlich gelegene Empore
und das Schiff hatten jedes einen gesonderten Eingang von der Westseite
aus, wo wohl der bischöfliche Palast anstiess; im I2. Jahrhundert wurde
der Bau überwölbt und erhielt das Portal auf der Südseite, durch das wir
ihn heute vom Kreuzgang aus betreten. In dieser Gestalt, die St. Stephan
im Beginn des I2. Jahrhunderts erhalten, diente es wohl als Vorbild für
die Schlosskapellen, von Kreuzhof eine Stunde östlich, Schönfeld einen
halben Tagemarsch nordöstlich und Hof einen guten halben Tagemarsch
nördlich von Regensburg, im Wesentlichen denselben Typus aber mit der
eleganten Dekoration der Mitte des I3. Jahrhunderts, zeigt die Gallus-
kapelle eine der interessantesten Hauskapellen Regensburgs 2).
Ein beachtenswerther, für den bischöflichen Hof ausgeführter Bau
ist auch die ebenfalls am Domkreuzgang gelegene Allerheiligenkapelle,
1) Berthold Riehl: Beiträge zur Geschichte der romanischen Baukunst im bayerischen
Donauthal. Repertorium für Kunstwisseimschaft. XIV. 5.
z) Ueber die Regensburger Hauskapellen, Geschlechterhäuser, Höfe und das Haus
zum Goliath, siehe die tüchtigen Publikationen von C. T11. Pohlig in Lützows Zeitschrift
1889 ff.