Peter Paul Rubens.
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wovon sich die beiden Hauptwerke im Louvre und in der Madrider
Galerie befinden. Der Gipfel aller Ausgelassenheit, der tolle Reigen, der
im wilden Sturm umherwirbelt, die Kraftfülle dieser Menschen, das war
es, was Rubens am meisten freute; schreiend und johlend reissen sich die
Paare umher; in der zügellos sich äussernden Lebenskraft hat kein
Genremaler Rubens erreicht, geschweige denn überboten.
Aber auch das lustige Treiben der feineren Gesellschaft, die sich im
Park, von jedem Zwang befreit, ganz ihren frohen Gefühlen hingeben kann,
gefiel dem Künstler, der auch noch in späten Lebenstagen, ja, wie es
scheint, im Anblick seiner schönen jungen Gattin sogar gerade in diesen,
sich an jugendlicher Fröhlichkeit auf das Höchste ergötzte. Bei den
jugendlichen Paaren im Vordergrunde seines Schlossparkes (Wien k. Ge-
mälde-Galerie) geht es schon recht lustig her; das Köstlichste in dieser
Beziehung aber bietet doch der Liebesgarten, von dem sich ein Original
in Madrid und wahrscheinlich die Wiederholung eines zweiten Originales
in Dresden 1) befindet. Reizend sind hier die mannigfaltigen Charaktere
die sich, wie das nun einmal so in der Liebe geht, in den Extremen
gefühlvoller Schwärmerei und toller Ausgelassenheit bewegen; wunderbar
ist daneben der köstliche, feine Humor des Künstlers, vor Allem in den
reizenden Putten.
Mehr noch als seine Sittenbilder geben uns die Portraits von Rubens
ein Bild des Lebens der feineren Gesellschaft seiner Zeit. Die Kunst der
südlichen Niederlande hatte sich mit diesem Fache seit dem Beginn der
Tafelmalerei, seit den van Eyck, in hervorragender Weise beschäftigt, und
im I6. Jahrhundert hatten Joas van Cleve, Anthonis Moor und Andere hier
Rubens Auftreten mehr als in anderen Gattungen vorbereitet; Tizian bot
ihm auch auf diesem Gebiete die wesentlichsten Anregungen; aber gerade
der Vergleich mit diesem zeigt wieder, wie völlig selbständig Rubens
auch hier gewesen. Wenn Rubens bedeutendster Schüler und Nachfolger,
Anthonis van Dyck, der bei einer Parallele Beider mehr noch durch die
Gegensätze zu seinem Lehrer als durch das Verwandte mit ihm interessirt,
in seinen Portraits vor Allem durch die Feinheit der Charakteristik fesselt,
so ist es im Gegensatz dazu bei Rubens das Lebensvolle, das Frische,
Gesunde und Freudige, was seinen Portraits den eigensten Reiz verleiht.
In ungetrübtem Glanze steht Rubens als Künstler und Mensch vor
unserem geistigen Auge. Sein klarer Sinn, der auch den praktischen
Verhältnissen in gesunder Weise Rechnung trug, sein edler Charakter,
der sich besonders in seiner diplomatischen Thatigkeit zeigte, durch das
Streben nach Frieden, den Wunsch, so viel als möglich zum Nutzen
seiner Mitmenschen zu Wirken, das Glück, das ihm so hold, gestalten das
NVoermann
Geschichte der Malerei.