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Peter Paul Rubens.
eine Schlucht, in der ein wilder Bach herabstürzt. Das Bild gehört offen-
bar der Spätzeit von Rubens an; gleichwohl greift er hier noch einmal
in seine Jugenderinnerung zurück, denn der ganze Charakter der Land-
schaft ist italienisch; Rubens weiss, dass die antike Mythe nur in der
grossen italienischen Landschaft wahr dargestellt werden, einen passenden
poetischen Ausdruck finden kann.
Auf dem Bilde mit Philemon und Baucis sehen wir diese rechts unter
dem Schutze von Merkur und Zeus, dessen Fluch die Elemente entfesselt,
um die Erde zu vernichten. Furchtbar zucken die fahlen Blitze durch
das Dunkel der rasch dahinjagenden, tief herabhängenden Gewitter-
wolken, die Bäume ächzen unter dem Sturm, die Wasser treten aus
ihren Schranken, der kleine Fluss ist zum mächtigen Strom angeschwollen;
Alles verwüstend, reisst er die mächtigsten Bäume mit sich fort, und
zwischen die alten Stämme geklemmt, erscheint der wilde Stier, den sie
zerdrücken wie ein schwaches ohnmächtiges Thier gegenüber den ent-
fesselten Gewalten. Das Erhabene eines grossartigen Naturschauspiels,
das Schreckliche, zugleich aber auch das grossartig Schöne, das in ihm
liegt, wurde nicht leicht herrlicher dargestellt.
Rubens' frisches, gesundes Wesen, den steten Verkehr, den er mit
der Natur hatte, rufen uns seine Landschaften ins Gedächtniss; aber nicht
nur für die Landschaft, sondern auch für Alles, was in ihr lebte, hatte er
ein offenes Auge, ein warmes Herz. Seine Freude an der Thierwelt,
besonders an schönen Hunden, streifte ich schon oben bei der Schilderung
seines häuslichen Lebens; sie spricht auch auf das Deutlichste aus seinen
jagdbildern, welche die Vermuthung nahe legen, dass Rubens, für den das
frische, stählende Handwerk des Waidmanns so recht passte, wohl selbst
ein Jäger war; wenigstens hat er sich 1612 als solchen gemalt, wie er
bei einer Wolfsjagd auf einem prächtigen Apfelschimmel reitet, neben ihm
auf einem Braunen seine Frau Isabella (London, Sammlung Ashburton).
Wenn diese jagdbilder erkennen lassen, wie Rubens das Leben der Thiere
fein beobachtete und es wahr darzustellen wusste, so zeigt die 1618 für
den Herzog von Bayern gemalte Löwenjagd (ältere Pinakothek zu München)
noch eine weitere hohe Gabe des Künstlers, nämlich seine freischaffende,
so unvergleichlich lebenswahr gestaltende Phantasie. Eine eigentliche
Löwenjagd kann Rubens ja nie gesehen haben, und die Löwen hatte er
offenbar nur im Käfig der Menagerie studirt. von denen er sich auch
einmal einen, wie Houbraken erzählt, in das Atelier bringen liess, um das
majestätische Thier zu portraitiren, und doch wie packend hat er die
äusserste Wuth dieser Thiere in dem Kampfe mit den Reitern gemalt.
Vor Allem aber beobachtet Rubens auch das Volk, das die Land-
schaft belebte, und er griff daher in den letzten Jahren, wo ihn die ein-
fache Natur immer mehr gefesselt zu haben scheint, auch zum Bauernbilde,