Peter
Paul Rubens.
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zonen in wilder Flucht dahin; einige Pferde haben sich ihrer Reiterinnen
entledigt, andere stürzen kopfüber von der Brücke in die Fluth, in welche
die Amazonen auch im Vordergrunde links getrieben werden; die dem
Schwerte entgehen, gehen in dem Kampfe mit dem wilden Elemente zu
Grunde. Die Schönheit der Gestalten, die Pracht der Farbe zeigt das
Grossartige des Kampfes, so dass nicht der Schrecken des Mordens,
sondern das Erhabene eines gewaltigen geschichtlichen Ereignisses der
Eindruck des Bildes ist. Die packende Wirkung desselben wird zum
grossen Theil durch die unvergleichliche malerische Freiheit bedingt,
welche die flüchtige Bewegung der Amazonen, das willenlose Dahintreiben
der Leiche in dem Flusse, die noch ein letztes Mal auf der Oberfläche
des Wassers auftaucht, ebenso unvergleichlich charakterisirt, wie die
düstere Stimmung, die prächtigen Farben, die mächtige Leidenschaft des
tosenden Kampfes.
Weniger frei als in jenen Historienbildern aus den biblischen Erzäh-
lungen oder der Antike, bewegt sich Rubens in dem grossen, umfang-
reichen Hauptwerke, dessen Stoff der Geschichte seiner Zeit entnommen,
in dem Cyklus aus dem Leben der Maria von Medici, den er im Auf-
trage dieser Fürstin zur Ausschmückung des Luxembourg-Palais malte.
Gemäss der Uebereinkunft malte Rubens die Skizzen hierzu in Paris 1),
fünfzehn derselben befinden sich jetzt in der älteren Pinakothek zu München,
sowie die eines Bildes, das nicht in den Cyklus aufgenommen wurde,
wohl weil hier der Gegenstand, „die Verbannung der Königin nach Blois",
der Bestellerin nicht angenehm war; die Ausführung der Bilder dagegen
erfolgte unter Beihülfe der Schüler in Antwerpen. Dass die Skizzen in
Paris gemalt wurden, hatte offenbar den Zweck, dass sich der Hof damit
seinen Einfluss auf die Durchführung des Werkes sichern wollte.
Rooses, der dem Werke entgegen der früheren Auffassung, die ihm
wegen der Ausführung durch die Schüler, sowie wegen der überreichen,
allegorischen Beigabe nur einen sehr geringen Werth belegt, eine grosse
Bedeutung beimisst, weist darauf hin, dass es das umfangreichste und
durchgeführteste cyklische Werk des Künstlers, das uns erhalten, dass
ihm hier, als er in seiner vollsten Kraft stand, eine günstige Gelegenheit
geboten war, diese zu entfalten. Man wird den Ausführungen von Rooses
in Vielem beipfiichten müssen; aber ich glaube doch kaum, dass man den
Cyklus bei dem Studium von Rubens" Kunst in die erste Linie stellen
darf, trotz all seines Glanzes, dass namentlich der, welcher Rubens als
Historienmaler studirt, von dem Medici-Cyklus mit am wenigsten erbaut
sein wird, hier den Künstler am meisten in einer äusserlichen Moderichtung
seiner Zeit befangen findet.
1) Van
den Branden
523.