Peter Paul Rubens. 24.5
namentlich durch die grossen Kriege doch auch rohen Lebens des
17. Jahrhunderts sich in die Kunst eingeschlichen haben. Aber das Ver-
söhnende fehlt dem Rubens'schen Drama deshalb nicht, so wenig wie
dem Shakespeares Bei dem Kindermorde liegt es nicht nur in der
Engelgruppe, die ja gerade nicht der gelungenste Theil des Werkes, es
liegt in dem Stoffe selbst, den ja jeder genau kannte, undrdie hohe künst-
lerische Meisterschaft schwächt auch selbst das Grässliche.
Bei dem Kindermord ist der Stoff zwar aus dem Kreise der biblischen
Erzählungen genommen, gleichwohl ist es aber kein kirchliches Bild
mehr, wie schon früher der Simson, die Blendung des Saulus und
zahlreiche andere, nicht für die Kirche bestimmt, für die Andacht der
Gläubigen, sondern es ist ein rein aus künstlerischen Motiven geschaffenes
Historienbild.
Gerade der historischen Gattung wandte sich Rubens als der fein-
gebildete Künstler mit besonderer Vorliebe zu; die grossen Ereignisse
vergangener Zeiten lebendig vor uns erstehen zu lassen, erschien ihm
offenbar als eine der höchsten Aufgaben der Malerei.
Rubens schöpft, wie jeder lebensvolle Historienmaler, auch für die
Vergangenheit aus dem Leben, das ihn umgiebt; er studirt sie in der
Gegenwart. Es drängt sich dadurch wohl mancher Zug des Lebens des
17. jahrhunderts in ein Bild, das einen Vorwurf aus römischer Zeit be-
handelt; aber im Ganzen sucht er in dem Werke den Charakter der Zeit,
in der es spielt, festzuhalten; auch soweit dies damals möglich war.
Kostüme und Umgebung, wie Gebäude und Anderes benützt er, um ein
möglichst klares, einheitliches Bild jener Zeit zu entrollen. Rubens war
viel zu fein gebildet, als dass jene Naivetät, wie sie der alte Brueghel in
seinem bethlehemitischen Kindermord zeigte, bei ihm noch hätte wahr
sein können. Brueghel malte seine biblischen Historien noch ganz, wie
wenn sie in seinen Tagen, in seinem Lande sich abgespielt hätten; diese
Auffassung ist bei ihm noch naiv und dadurch wahr, bei Rubens wäre
sie nicht mehr wahr gewesen, denn er wusste, dass jene Zeit eine andere
Physiognomie trug als die seine, und dass deshalb, gerade um die Ereig-
nisse derselben überzeugend darzustellen, es nöthig, auch jene äusserliche
Physiognomie beizubehalten.
Soweit aber Rubens entfernt war, sich bei historischen Bildern auf
den Standpunkt des alten Pieter Brueghel zu stellen, von dem merk-
würdiger Weise Manche glauben, dass er eine Neubelebung der kirch-
liehen Kunst unserer Tage herbeiführen könne; ebenso fern lag es ihm
andererseits auch, das Historienbild zu benützen, um seine reichen antiqua-
rischen Kenntnisse vor dem Publicum auszubreiten. Ob jeder Rock,
Stiefel oder Sporn kostümgeschichtlich echt war, ist ihm offenbar ziemlich
gleichgültig gewesen; um die Aeusserlichkeiten war es ihm weniger zu