Rubens.
Paul
Peter
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zeichnet, ist die harmonischste Lösung, welche dieses grossartigste
Problem unter den dramatischen Vorwürfen unserer kirchlichen Kunst
erfahren hat.
Den ganzen Glanz seiner kirchlichen Kunst, das mächtig gesteigerte
Leben in derselben zu entfalten, dazu bot Rubens die grossartigste Gelegen-
heit die Ausmalung der Jesuitenkirche in Antwerpen (1620). In erster
Linie war es dem Meister hier offenbar um den mächtigen Gesammt-
eindruck der ganzen Kirche als eines einheitlichen Kunstwerkes zu thun,
und das Ganze muss in der That auch eines der grossartigsten, präch-
tigsten Werke Rubensscher Kunst gewesen sein, dessen Untergang uns
nicht nur um Rubens" umfangreichstes Werk, sondern auch um eine seiner
charakteristischsten und grossartigsten Schöpfungen auf dem Gebiete der,
kirchlichen Kunst gebracht hat.
Von den Werken der Spätzeit des Künstlers möchte ich nur auf
zwei Beispiele hinweisen, wegen der dramatischen Wucht, die jetzt vor
Allem den Künstler charakterisirt: auf die Kreuztragung im Museum zu
Brüssel, die etwa 1637 entstanden, und auf den bethlehemitischen Kinder-
mord in der älteren Pinakothek zu München. Bei dem so ausserordentlich
häufig behandelten Moment der Kreuztragung, wie Christus unter dem
Kreuze zusammenbricht und sich zu den klagenden Frauen wendet,
ergeben sich die Hauptpunkte der Komposition so einfach, dass unter
den verschiedensten älteren Darstellungen, selbst wenn gewiss gar kein
Zusammenhang zwischen ihnen besteht, sich doch stets, wenigstens für
den oberflächlichen Beobachter, eine Reihe von Aehnlichkeiten ergeben.
Das Rubens'sche Bild aber hat mit den älteren Darstellungen gar nichts
Verwandtes; die stürmisch bewegte, leidenschaftliche Auffassung erscheint
ebenso neu, wie der kühne Gedanke, den Zug darzustellen, wie er eben
den steilen Berg emporklimmt und sich rasch fast durch die Diagonale
des Bildes bewegt. Während die Spitze des Zuges oben links hinter
einem Abhang verschwindet, sehen wir unten rechts die beiden Schächer,
von Kriegsknechten geführt, aus der Tiefe heraufsteigen, so dass sie nur
bis zu den Hüften sichtbar sind. Christus, ungefähr in der Mitte des
Bildes, bricht, nachdem er eben eine Stufe erklommen, unter der Last
des schweren Kreuzes zusammen, das zwei Männer mit gewaltiger An-
strengung wieder emporheben. Veronika reicht ihm das Schweisstuch,
wehklagend stürzt ein junges Weib mit ihrem Kinde herbei, ein Trupp
Reiter sprengt seitwärts rasch vorüber. Das Drängen des Zuges, das
hülflose Leiden Christi gegenüber der Macht seiner Feinde, die ihn mit
roher Gewalt vorwärts treiben, die Klage der Frauen, der Schmerz Christi,
der mit dem edlen, seelenvollen, durchdringenden Blick den Beschauer
ansieht, vereinen sich zu einer ebenso tief ergreifenden, als machtvollen
dramatischen Wirkung.
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