Rubens.
Peter Paul
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Nachbildner der Natur, er besitzt einen feinen Schönheitssinn, und wer
zu seinen prächtigen Weiblichen Gestalten die Vorbilder in der Natur
sucht, wird gar bald erkennen, wie Vieles auch hier ideale Steigerung
des Künstlers; aber die grosse Poesie seiner Werke gründet doch in
erster Linie in Licht und Farbe, und diese sagen uns auch bei dem
hl. Ildefons zugleich mit dem tiefen Empfinden, der innigen Verehrung,
die aus dem Heiligen spricht, dem seelenvollen Wesen der Maria und
ihrer Jungfrauen, dass es kein irdisches, sondern ein höheres, himmlisches
Leben ist, das wir hier erblicken.
Bei dem Ildefons-Altar hätte es sehr nahe gelegen, dass Rubens die
namentlich in der florentinisch-römischen Kunst bis zu RaphaePs Sixtinischer
Madonna so streng festgehaltene centrale Komposition aufgegriffen, den
Thron der Maria in die Mitte des Bildes gestellt hätte; Rubens wählt
aber, und zwar aus malerischen Rücksichten, die Schiefstellung der Kom-
position: der Thron der Maria steht auf der linken Seite des Bildes, und
über ihm, nahe der oberen, linken Ecke, bricht der Strahl des himmlischen
Lichtes herein, in dem die jubelnden Engel mit ihren Blumen über dem
Haupte der Maria schweben, und welcher der Gruppe, über deren präch-
tige Gewänder er glitzert, höheres Leben verleiht.
Mit besonderer Vorliebe griff Rubens in Folge seiner ganzen Auf-
fassung der kirchlichen Kunst natürlich zu Gegenständen, die den Triumph
der christlichen Kirche zeigen, wie die Anbetung der Könige, die er
beispielsweise I609 für das Rathhaus in Antwerpen (jetzt in Madrid),
1616 für die Johanneskirche in Mecheln, 1624 für die Michaelskirche in
Antwerpen (jetzt im Museum daselbst) malte; der Stoff, wie die Könige
mit ihrem reichen Gefolge erscheinen, um dem Kinde zu huldigen, das
der zukünftige Herrscher der Welt, er passte so recht für Rubens. Aber auch
Scenen, die sonst gerade durch das Schlichte, Einfache und Gemüthliche
wirken, weiss Rubens in diesem Sinne zu gestalten, wie beispielsweise in
seiner Anbetung Christi durch die Hirten (München, Pinakothek) die
Freude, ja der Jubel über den neugebornen Heiland, dem die Engel das
Gloria singen, den Eindruck des Bildes bestimmt, und gewiss hat auch
diese Auffassung ihr volles Recht.
Zu dramatischer Wirkung steigert sich diese Auffassung in der
Himmelfahrt Mariä, die Rubens sehr oft gemalt; eine der herrlichsten
Darstellungen des Vorwurfes ist die, welche als Altarbild der Antwerpener
Jesuitenkirche entstand und die sich jetzt in der k. Galerie in Wien befindet.
Dies leitet über zu der zweiten, noch bedeutenderen Seite der kirchlichen
Kunst des Meisters, zu dem grossartigen, dramatischen Leben, das er
hier entfaltet. Rubens, der vielseitigste aller Maler, beherrschte alle
Gattungen dieser Kunst; innerhalb der einzelnen zeigt er die verschiedensten
Auffassungen; in der kirchlichen Kunst, vom festlichen Jubel bis zu den