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Peter Paul Rubens.
denn obgleich das Land verarmt, so war doch in den südlichen Nieder-
landen die Geistlichkeit reich. Im Kampfe gegen den nüchternen Pro-
testantismus wollte sie ihren ganzen Glanz entfalten, und keine Kunst war
hierfür geeigneter, als die des Rubens; dazu kam noch, dass die durch
die Bilderstürmer geplünderten Kirchen neuen Schmuckes bedurften, dass
zahlreiche neue Klöster gegründet wurden; wiederholt bethätigten auch
Bürger ihre Frömmigkeit dadurch, dass sie durch Rubens grosse Altar-
bilder malen liessen.
Die Zahl der Altarbilder, die Rubens vor Allem für die spanischen
Niederlande, dann aber auch für auswärts, z. B. für Köln und den Dom
zu Freising oder auch für Genua malte, ist ganz unglaublich gross; der
bei weitem grossartigste Auftrag dieser Art aber wurde ihm durch die
Jesuiten zu Theil, als diese ihm 1620 den gesammten malerischen Schmuck
ihrer neuen Kirche in Antwerpen übertrugen. Neununddreissig Decken-
bilder schmückten diese Kirche, zu denen sämmtlich Rubens die Skizzen
gemalt hatte, nach denen sie unter seiner Leitung von den besten seiner
Schüler ausgeführt wurden. Ausserdem befanden sich in der Kirche noch
die prächtigen Altarbilder: der hl. Ignatius, der aus den Besessenen den
Teufel austreibt; Franz Xaver, wie er einen Todten erweckt; die Himmel-
fahrt der Maria (sämmtlich in der kaiserlichen Gemälde-Galerie in Wien),
sowie die Rückkehr aus Ägypten (Blenheim). Am I8. Juli 1718 schlug
der Blitz in das Dach der Kirche, und das Feuer zerstörte mit Ausnahme
jener Altarbilder, die noch gerettet werden konnten, die ganze Herrlich-
keit, die wir heute nur mehr ahnen können, wenn wir die Interieurgemälde
der Kirche von Vranck und Ghering in Wien, Madrid und München zu Hülfe
nehmen und die 1751 in Amsterdam erschienenen Stiche Punt's, die nach
1711 und 1712 gefertigten Zeichnungen Jan de Witte's gemacht wurden.
Rubens" Leben war aber nicht nur ein glänzendes, reich an Arbeit
und Erfolg, sondern auch ein glückliches; glücklich durch die gesunde
Natur des thatkräftigen Mannes, dem ein frohes Geniessen dessen, was er
sich erarbeitet, gegönnt war; glücklich namentlich auch durch seine
treffliche Gattin Isabella, mit der er, als sie achtzehn Jahre alt war, am
I 3. October 1609 in der Michaelskirche zu Antwerpen getraut wurde. Das
Glück des jungen Paares konnte nicht schöner geschildert werden, als auf
dem Doppelportrait, das Rubens etwa im folgenden Jahre (1610) malte (Mün-
chen, ältere Pinakothek)._ Das Pärchen hat sich in eine lauschige Gais-
blattlaube zurückgezogen und sitzt da, beseelt von dem Gedanken, nur
einander anzugehören. Rubens frischer Blick sieht uns frei entgegen; in
ihm und in seiner elastischen Haltung erkennt man den thatkräftigen
unternehmenden Mann; aber das sinnige Auge lässt auch zugleich die
tiefe, empfindsame Natur des Künstlers erkennen. An ihn schmiegt sich
die junge, liebenswürdige Frau, die noch etwas mädchenhaft Befangenes