Kunst.
14 Deutsche und italienische
ist die Innigkeit
ihrer Gedanken.
des Empfindens,
der Rcichthunx
ihrer Phantasie,
die Fülle
Der Charakter der Kunst ist national, bedingt durch die Eigenart
des Landes, durch seine geschichtliche und kunstgeschichtliche Entwicklung,
das Volk gliedert sich dann wieder in die Gruppen der einzelnen Stämme
und mit ihm seine Kunst, innerhalb dieser Gruppen aber scheiden sich
scharf die Charaktere der einzelnen Meister, und je höher entwickelt, desto
individueller wird die Kunst, sie verleiht jetzt der persönlichen Eigenart
des Mannes künstlerischen Ausdruck, und nur eine gewisse Familien-
ähnlichkeit zeigt noch ihre Zugehörigkeit zum Stamme, zum Volke. Der
Charakter der Kunst ist national, in höchster Entwicklung sogar persönlich
verschieden, ihre Entwicklung dagegen ist international. Neidlos sollen
wir die Vorzüge des Nachbars anerkennen, von ihm lernen, um zu wachsen
in der eigenen Art. Daher zeigen sich so verschieden italienische und
deutsche Art, doch die mannigfaltigsten Beziehungen in der Kunstent-
Wicklung beider Völker. Zunächst natürlich lernt der Norden von der
älteren, überlegenen Kunst des Südens, aber schon seit dem Beginne des
II. Jahrhunderts treffen wir in der Architekturgeschichte Oberitaliens durch
die grosse Bauschule der Cluniacenser, noch mehr dann in der Gothik
den fördernden Einfluss der französischen und deutschen Kunst auf Italien,
und bei weiterem Fortschreiten im Studium der mittelalterlichen Kunst
Italiens, das heute noch sehr grosse Lücken aufweist, müssen sich noch
zahlreiche interessante Thatsachen feststellen lassen, die erzählen, wie die
italienische Kunst von der nordischen gelernt; auch in späterer Zeit fehlt
es nicht an einzelnen Zügen, die einen fördernden Einfluss deutscher
Kunst auf die italienische zeigen, von denen ich nur etwa auf die Ueber-
tragung der Technik der Oelmalerei von den Niederlanden nach Venedig
durch Antonello da Messina hinweisen möchte; im Ganzen aber haben wir
bis auf Rubens entschieden mehr empfangen als gegeben. Dass die
italienische Kunst die grossen Errungenschaften der Deutschen des I6. Jahr-
hunderts so wenig verarbeitet, mag einestheils darin liegen, dass sie wegen
der zurückhaltenden deutschen Art sich wenig zur deutschen Kunst hin-
gezogen fühlte, gründet vor Allem aber auch in dem Urnstande, dass
Italien nach der Hochrenaissance nur mehr ein wenn auch manchmal
noch so grossartiges Ausleben seiner Kunst zeigt und es nicht mehr ver-
mochte, sich zu einer Blüthe zu erheben, welche derjenigen der nieder-
ländischen Malerei des I7. Jahrhunderts an die Seite gestellt werden
könnte; sollte aber in Zukunft wieder eine grosse Epoche italienischer
Kunst entstehen, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass sie die
stärksten Einflüsse nordischer Kunst verarbeiten müsste, und schon in der
Kunst der Gegenwart sprechen, wie ich glaube, gerade die besten italie-