Leben und Kunst zweier niederländischer Bauernmaler des siebzehnten Jahrhunderts.
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noch höher als die des Teniers anzuschlagen ist; man käme vor
Allem schon in Verlegenheit, wo man das Denkmal errichten sollte, denn,
charakteristisch für den abenteuerlichen Gesellen, können wir weder Ort
noch Zeit seiner Geburt sicher angeben; wahrscheinlich ist er um 1605
in Oudenarde geboren, ja bis zum heutigen Tage ist der Mann in der
Kunstgeschichte vaterlandslos; bald wird er zur holländischen, bald zur
vlämischen Schule gerechnet; am sichersten ist jetzt sein Aufenthalt auf
dem Castell von Antwerpen nachgewiesen, wo er 1633 in Haft sass, aber
ihm hier ein Denkmal zu errichten, wäre doch etwas bedenklich, so
charakteristisch dieser Aufenthalt für Brouwer ist, der wahrscheinlich seine
productivste Zeit umfasste.
Bis zur neuesten Zeit beruhte unsre Kenntniss der Persönlichkeit
Brouwer's wesentlich auf den von de Bie und Houbraken überlieferten
Anekdoten; das Leben und der Charakter des Künstlers lockten zur
Anekdote, ja zumal der Letztere konnte nicht besser als in ihr dargestellt
werden, der nüchterne Bericht der Thatsachen musste dem entgegen
zurücktreten. Die modernen urkundlichen Forschungen haben bestätigt,
dass das Charakterbild 1), das jene Anekdoten von Brouwer überliefern,
wahr ist, aber so wichtig durch diese Thatsache uns diese Urkunden
sind, so können wir wegen ihrer jene Anekdoten doch nicht entbehren;
das Bild, das wir aus den Nachrichten über Brouwer's Festungshaft, aus
seinen Pfandzetteln und aus den Nachrichten über sein Begräbniss ge-
winnen, wird ein zwar äusserlich wahres, aber ihm fehlt die tiefere, innere
Wahrheit; von den Seiten von Brouwefs Wesen, in denen seine Kunst
gründete, die für uns doch gerade das Wichtigste sind, hören wir hier
nichts; gerade hiervon berichtet aber die Anekdote. Der Historiker soll
die Sage beachten, sie wird dem feinen Beobachter manchen interessanten,
lebensvollen Zug offenbaren, den kein Aktenfascikel bewahrt; für den
Kunsthistoriker aber, und zwar speciell für den Biographen, ist die
Künstleranekdote eine der wichtigsten Quellen, zumal wenn sie, wie bei
Brouwer, auf Zeitgenossen des Künstlers und auf eine Generation zurück-
geht, bei der die Erinnerung an einen so markanten Charakter wie
Brouwer doch noch eine äusserst lebhafte sein musste. Die einzelnen
Thatsachen der Anekdoten werden ja meist erfunden sein, aber das
Wichtige ist, dass uns diese Erzählungen den Charakter des Künstlers
überliefern, wie er im Gedächtnisse der überlebenden Zeitgenossen und
durch diese in der nächsten Generation fortlebte. Houbraken, der bekannt-
lich die meisten dieser Geschichten berichtet, scheint mir unter diesen
Gesichtspunkten eine hochbedeutende Quelle für die Geschichte der
1) Van den Branden: Im Kunstbode 1881 und 1882. W. Bode:
Zeitschrift der graphischen Künste. Wien 1884. W. Schmidt; Das
Adriaen Brouwefs. Leipzig 1873.
R i e hl, Kunstcharakterc.
Adriaen Brouwer.
Leben des Malers