Michelangelo
Buonarroti.
x93
Michelangelo die Leitung dieses Baues; er strebt hier ausschliesslich
nach einheitlicher und dadurch grossartiger Wirkung; die Kuppel sollte
gleichmässig das Innere und Aeussere beherrschen, die gewaltige Kuppel,
die einzig in der Welt, als das grosse architektonische Hauptwerk Michel-
angelo's dasteht, und deren mächtiger Wirkung im Innern sich Niemand
entziehen kann, deren Herrschaft über den ganzen Raum der Kirche aber
leider durch die störende Verlängerung des westlichen Armes derselben
so sehr beeinträchtigt wurde; sie ist es, "die dem Gedanken der mächtigen,
glänzenden und triumphirenden Kirche in Rom den grossartigsten Aus-
druck verliehen.
Was im Zusammenhang mit der Grösse des Raumes, der einheitlichen
Wirkung des Ganzen, Michelangelo vor Allem beherrscht, ist die Sicher-
heit der Verhältnisse auch bei den riesigsten Dimensionen, die als ein so
werthvoller Besitz auch den folgenden Generationen verblieb und auch
auf die nordischen Meister der Spätrenaissance und des Barock über-
gegangen ist.
Dem Ganzen entspricht das Detail, die stark vorspringenden Pilaster,
wie sie auf dem Kapitol, vom Sockel bis zum Hauptgesims ragend, als
"l räger dieses erscheinen, für dessen energische Behandlung durch Michel-
angelo namentlich das grosse Kranzgesims charakteristisch ist, durch das
er den Palazzo Farnese bekrönte. Die Halbsäule steigert er zur Drei-
viertelsäule oder, wie bei dem Erdgeschoss der Seitenpaläste des Kapitols,
werden statt Halbsäulen an den Pfeiler zu lehnen, freie Säulen neben
denselben gestellt. Die mächtigen Voluten der Kapitäle, deren Seiten-
ansicht besonders charakteristisch, zeigen am Kapitol, wie auch die
Voluten am Giebel der Porta pia die ganze Gewaltthätigkeit Michelangelds,
sein zuweilen fast Willkürliches Schalten mit den architektonischen Formen,
das für seine Nachfolger oft so verhängnissvoll wurde. Michelangelo ist
es nicht um Feinheit und Eleganz des Details zu thun, wie der Früh-
renaissance, die Alles bis ins Kleinste liebevoll durchbildet, sondern er
strebt nach der einheitlichen Wirkung des Ganzen; das Detail soll sich
ihr unterordnen, sie steigern.
Michelangelo will vor Allem schlagende, mächtige Wirkung des
Baues, der reich durch Plastik und Malerei geschmückt; gerade dieser
Gedanke aber, so bedeutend und grossartig er bei Michelangelo selbst
erscheint, der die drei Künste so einzig beherrschte, war von der ver-
hängnissvollsten Wirkung für seine Nachfolger, er führte sie dazu, mit
einem oft bewundernswerthen Geschick, eine reiche, ja glänzende Gesammt-
wirkung zu erzielen; in ihm aber gründet auch das oft äusserliche, ja
zuweilen rohe Wesen der folgenden Plastik und Malerei; die Statuen und
Gemälde werden eben nicht mehr als selbständige Kunstwerke, sondern
nur als Dekorationsstücke geschaffen; wie einzig Michelangelo, aber eben
Riehl, Kunstcharaktere. 13