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Michelangelo
Buonarroti.
vollen Behandlung, die Michelangelo bis in alle Details erstreckte, gewiss
äusserst schlagend und malerisch in der Wirkung geworden wäre.
Es ist bekannt, dass Michelangelo den Maler zu verleugnen pflegte,
sich dagegen mit Stolz als Bildhauer und Architekt bekannte, und doch
sind seine grossen Fresken die Hauptträger seines Ruhmes geworden, und
war gerade er es, der dem Malerischen zur vollen Herrschaft in der
Plastik und ebenso in der Architektur verhalf. Die Malerei bot ihm eben
doch für sein so ganz individuelles, aus der Stimmung hervorgehendes
Schaffen Mittel, die er nicht entbehren konnte, und deshalb musste auch
bei dem Plastiker und Architekten das Malerische so maassgebend mit-
sprechen.
Voll und ganz entwickelte Michelangelo seine Eigenart als Architekt
jedoch erst in seinen römischen Bauten, die dem Schlusse seines Lebens
angehören. Auf dem Boden Roms allein konnte er seine ganze Kraft
als Architekt entfalten; hier hatte er in den kolossalen antiken Ruinen
eine Umgebung, die ihn als congenial anregte; hier allein konnten ihm
Aufgaben zu Theil werden, die seiner Kraft entsprachen, wie der Umbau
der Thermen des Diokletian, die Anlage des Kapitols, die Bauleitung von
St. Peter.
Die Thätigkeit Michelangelds auf dem Gebiete der Architektur zu
charakterisiren ist mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft, hauptsächlich
deshalb, weil die grossen Werke meist erst lange nach seinem Tode
vollendet wurden, weshalb es häufig schwer ist, seinen Antheil von dem
der Nachfolger zu scheiden, und wie wenig man ihn mit den letzteren
zusammenwerfen darf, lehrt, glaube ich, die Geschichte der Plastik und
Malerei deutlich genug. So wurden, wie sich dies z. B. bei St. Peter
des Näheren beweisen lässt, Michelangelds architektonische Ideen nur
verkümmert ausgeführt, und überdies mussten sie sich später manche
wohlgemeinte Verbesserung gefallen lassen, wie das Langhaus bei S. Maria
degli angeli und bei St. Peter, welche die Wirkung des Baues auf das.
Empündlichste schädigten.
Die Richtung auf das Grosse ist es, wie gesagt, die Michelangelds.
Architektur in erster Linie bestimmt, sie ist ja an sich nichts Neues, ist
vollkommen durch die ganze Entwicklung von der Früh- zur Hoch-
renaissance begründet und gelangte in der römischen Architektur nament-
lich durch Bramante zur Herrschaft; durch Michelangelo aber wurde sie
mächtig gesteigert, besonders durch das Streben nach mächtiger Total-
wirkung, der sich Alles bis in das letzte Detail unterordnete. Ein grosser
Gedanke leitet das Ganze, wie bei dem Kapitol die bedeutende Idee, einen
ganzen Platz als einheitliches Kunstwerk zu gestalten, wie der Gedanke
des imposanten Raumes, der Michelangelo zum Centralbau führte, in
S. Maria degli angeli und vor Allem in St. Peter. Erst 1546 übernahm