Deutsche
und italienische Kunst.
charakteristisch, dass die Stadt keine nach bestimmten Grundsätzen ent-
wickelte Anlage zeigt, dass sich die engen Gassen willkürlich winden,
eine grosse Hauptstrasse in der Regel nicht vorhanden ist und, wenn sie
jetzt besteht, wie die Hochstrasse in Köln, sich erst später mühevoll
herausbildete, wie ihr Zug noch deutlich genug erkennen lässt. Auch
der Platz von monumentaler Wirkung pflegt solchen Städten meist zu
fehlen, man ist nicht darauf bedacht, dass er im Verhältniss zu dem
majestätischen Dom steht, der ihn ziert, in der Regel findet sich nur ein
kleiner Platz vor der stattlichen Kirche, eine schmale Gasse läuft an ihrer
Langseite hin, umbekümmert um die Wirkung werden sogar kleine Wohn-
häuser an den Monumentalbau angelehnt. Nirgends ist Raum gegeben,
die einheitliche Wirkung des grossartigen Baues zu erfassen, dessen liebe-
volle Durchbildung bis ins kleinste Detail so charakteristisch, bei dem
auch noch die Figuren auf den höchsten Giebeln mit fast gleicher Sorg-
falt wie die unten am Portal durchgebildet sind; weniger die Rücksicht
auf die Wirkung im Ganzen, sondern der Wunsch, bis zur Kreuzblume
auf der hohen Thurmpyramide Alles auf das Eingehendste durchzubilden,
leitete den Künstler. Die Stadt entbehrt des einheitlichen Planes, es
baute eben Jeder für sich völlig unbekümmert um die Wirkung des
Ganzen. Will man daher den eigensten Reiz dieser Städte kennen lernen,
so darf man nicht nur ihre Hauptplätze und Strassen oder ihre monu-
mentalen Bauten studiren, sondern man muss in all den kleinen winkligen
Gassen umherstreifen, die Heiligen und die Hausmarken an den Häusern
ansehen, die malerischen Höfe und Interieurs betrachten, vor Allem aber
auch einige der behaglichen Bürgerstuben.
Da locken uns die hellen Sonnenstrahlen, die in die engen Gassen
und kleinen Höfe fallen, deren warmes Licht so freundlich durch die
bunten Scheiben in die Stube scheint, hinaus vor das Thor der Stadt und
wir folgen dem Zuge der ganzen Bürgerschaar, jung und alt, die heute
als am Feiertage froh die Stadt verlässt. Draussen sehen wir ein buntes,
heiteres Leben, auf der Strasse die zahlreichen Menschen, die vergnügt
über den schönen Sommertag nach dem nächsten Dorfe ziehen; der
Wandrer, der frisch ausgreift, weil er den schönen Tag nützen will, an
dem ihm seine Arbeit ein Vergnügen; der stille Träumer, der bald einen
schmalen Seitenweg einschlägt, um seinen Spaziergang nach dem Wäldchen
Zu machen, in dem er ungestört seinen Gedanken und Empfindungen
nachhängen kann; die Kinder, welche sich schon die ganze Woche auf
ÖiCSCII Tag gefreut und jetzt im tollen Wettlauf mit dem kleinen Spitz
ihre Freude austoben; der arme Mann, der an der Strassenecke sitzt und
heute, wo fast Jeder frohen Herzens, gar manche Gabe erhält, sie sind
die charakteristische Staffage der reichen Landschaft vor uns. Seitwärts
sehen wir einen Bach, an dessen Rand eine Mühle und an dem einzelne